Der Wissenschaftsminister hat sich von seiner Haarpracht getrennt, in der ÖVP geht was weiter. So kann man aus der Haartracht gleich zweimal die Aufmerksamkeit einer wissenschaftsfernen Öffentlichkeit schinden, einmal schulterlang, einmal ohrenfrei. Er wenigstens ist damit für den Parteitag der Türkisen besser aufgestellt als der Kanzler, der sich seine Fasson von einer deutschen Storymachine verpassen lässt. Das hat Sebastian Kurz zu einer spukhaften Auferstehung als sogenannter Knalleffekt verholfen, begleitet von der Hoffnung, die Wirtschaft könnte von ihm verschont und die Volkspartei mit ihm wiedergeboren werden.

Minister Martin Polaschek mit neuer Haartracht.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Denn der Glaube an eine Wiedergeburt mit Karl Nehammer kann in der ÖVP nicht wirklich fest sein, wenn man ihm schon den Start als neuer Parteiobmann vermiest, indem man den Vorgänger, dessen ruhmlosen Abtritt er die Ehre verdankt, in einem Aufwaschen nostalgisch als Erlöser abfeiert, neben dem jeder andere verblassen muss. Und sei es auch nur, weil er auslöffeln soll, was ihm hinterlassen wurde. An der weiter bestehenden Erlösungsbedürftigkeit der Volkspartei besteht kein Zweifel, und Nehammer wird zu spüren bekommen, für wen die türkisen Herzen wirklich schlagen.

Dass Kurz auf seinen Weg in die Privatwirtschaft nicht nur die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, sondern auch die von der Partei gesponserten Auftritte in den sozialen Medien mitgenommen hat und von dort immer wieder politisches Weiterleben vortäuscht, ist auch nicht hilfreich. Nehammer wird es nicht leicht haben, der Partei wieder jenes Maß an Glaubwürdigkeit zu verschaffen, das sie unter Kurz eingebüßt hat – sollte er das überhaupt ernsthaft versuchen.

Karl Nehammer wird zu spüren bekommen, für wen die türkisen Herzen wirklich schlagen.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Aufbruchstimmung

Bisher hat er sich diesbezüglich bedeckt gehalten. Seine Beteuerung, die ÖVP habe kein Korruptionsproblem, war vielleicht nicht ernst gemeint und sollte dem neuen Parteiobmann nur ein erträgliches Wahlergebnis sichern. Die bitter nötige Aufbruchstimmung lässt sich mit realistischer Selbstkritik nicht erzeugen, besonders dann nicht, wenn gleichzeitig in Vorarlberg eine andere Parteihoffnung im Verdampfen begriffen ist.

Derzeit sieht es aus, als wollte sich Nehammer seiner Partei wenigstens als Mustergatte empfehlen. Auf den Fotos, die verbreitet werden, soll offenbar die Ikonografie einer Nehammer-Pose durchgesetzt werden. In welchem Outfit sich er und seine engste Beraterin dem profanen Blick des Volks darbieten: sie stets an seine linke Seite geschmiegt. Auf dem letzten Cover der "Krone bunt" er im Frack, sie im Abendkleid, als bereiteten sie sich schon seelisch auf den nächstjährigen Opernball vor. Beim Parteitag wird er ja kaum so auftreten.

Die Doppelikone gab es auch in den Versionen Businesslook, als Skihaserln und natürlich – das durfte nicht fehlen – als Trachtenpärchen, sie ausnahmsweise von ihm an seine rechte Seite gedrückt. Diese Version darf als besonders gelungen betrachtet werden, weil sie die Dienstvorschrift für Cobra-Personenschützer in Erinnerung ruft: Waun de kan Almdudler ham, gemma wieder ham.

In der Beurteilung des Nehammer'schen Paarungsverhaltens abseits der Kamera waren sich Michael Jeannée von der "Krone" und Barbara Tóth vom "Falter" einig, was nicht oft vorkommt. Sie halten innerfamiliäre Politberatung für Störung der ehelichen Ruhe. (Günter Traxler, 28.4.2022)