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Die Ermordung von Jamal Khashoggi führte nicht nur zu Protesten, sondern auch zu Spannungen zwischen Ankara und Riad. Die sind nun offenbar zu Ende.

Foto: AP Photo/Emrah Gurel

Am Donnerstag, kurz vor Beginn der Feierlichkeiten zum Ende des Fastenmonats Ramadan, ist der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zu einem zweitägigen Besuch nach Saudi-Arabien aufgebrochen. Auf seinem Programm steht ein Treffen mit dem kranken und greisen König Salman bin Abdulaziz, vor allem aber mit dem eigentlichen Regenten des saudischen Königreichs, dem Sohn und Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS).

Der Besuch Erdoğans in Riad und Jeddah beendet eine rund zehn Jahre lange Eiszeit zwischen den beiden Ländern. Seit das saudische Königshaus 2013 den Putsch gegen den ägyptischen Präsidenten Mohammed Morsi finanziert hatte, der gleichzeitig der oberste Vertreter der Muslimbruderschaft in Ägypten war, hatte Erdoğan die Beziehungen zu Saudi-Arabien de facto abgebrochen.

In den Folgejahren verschärfte der Krieg in Syrien den Konflikt zwischen den beiden Staaten weiter, weil sowohl Saudi-Arabien als auch die Türkei die Patronage über die gegen Bashar al-Assad kämpfenden Sunniten übernehmen wollte.

Dann kam 2018 noch der Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi dazu, der im saudischen Konsulat in Istanbul brutal getötet wurde. Khashoggi, ein prominenter Kritiker von MbS, der in der "Washington Post" eine einflussreiche Plattform hatte, pendelte damals zwischen den USA und der Türkei, wo er mit befreundeten Muslimbrüdern ein von Erdoğan unterstütztes Netzwerk aufbaute.

Persönlicher Affront

Den Mord in Istanbul empfand der türkische Präsident deshalb auch als persönlichen Affront. Der türkische Geheimdienst ließ daraufhin mitgeschnittene Tonaufnahmen aus dem Konsulat an die Presse durchsickern, die verhinderten, dass Saudi-Arabien sich auf Dauer dumm stellen konnte. Die Saudis mussten schließlich zugeben, dass Khashoggi, der im Konsulat Unterlagen für eine geplante Heirat mit seiner türkischen Verlobten hatte abholen wollen, das Konsulat nicht mehr lebend verlassen hatte.

Saudi-Arabien trat daraufhin die Flucht nach vorn an und ließ einige untergeordnete Personen für den Mord an Khashoggi verurteilen. Weil jedoch alle Indizien darauf hinwiesen, dass der Mord von MbS direkt in Auftrag gegeben worden war, eröffnete die Türkei selbst einen neuen Prozess, um die wahren Täter aufzudecken.

Das Problem bei dem Verfahren war jedoch von Anfang an, dass Saudi-Arabien keinen der Angeklagten, zu denen auch der damalige saudische Geheimdienstchef gehörte, für den Prozess an die Türkei auslieferte. Das Verfahren hatte deshalb mehr propagandistischen Charakter, als dass es noch wesentlich zur Aufklärung beitragen konnte. Zuletzt stand es einer von Erdoğan geplanten Wiederannäherung an Saudi-Arabien nur noch im Weg und wurde deshalb vor drei Wochen eingestellt.

Neuer Nahostkurs

Damit war die wichtigste Voraussetzung für den Besuch in Riad erfüllt. Dazu kommt wohl im Hintergrund, dass Erdoğan mehr und mehr seine langjährige Unterstützung für die Muslimbrüder zurückfährt. So sehr er auch dafür gekämpft hatte, nirgendwo war es den Muslimbrüdern nach dem Arabischen Frühling 2011 gelungen, längerfristig die Macht zu übernehmen.

Schweren Herzens musste er seinen Traum begraben, mithilfe der Muslimbrüder im Nahen Osten eine Führungsrolle übernehmen zu können. Stattdessen begann Erdoğan vor zwei Jahren mit einer vorsichtigen Kontaktaufnahme in Kairo, außenpolitisch umzusteuern. Nach Ägypten, Israel und den Arabischen Emiraten ist Saudi-Arabien dieser Tage nun der letzte Adressat seines neuen Kurses.

Geld vor den Wahlen

Für die Aussöhnung mit den Golfstaaten sprechen allerdings nicht nur langfristige strategische Überlegungen. Noch wichtiger für Erdoğan ist im Moment das Geld der reichen Ölstaaten. Die türkische Wirtschaft liegt völlig am Boden, und Erdoğan braucht vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr dringend große Finanzspritzen aus dem Ausland.

Der Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed (MbZ), hat bereits zehn Milliarden Dollar zugesagt, jetzt soll MbS nachlegen. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 28.4.2022)