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UN-Generalsekretär António Guterres machte im Rahmen seines Ukraine-Besuchs am Donnerstag Station in Borodjanka (Foto) und Butscha.

Foto: REUTERS/Gleb Garanich

Der UN-Generalsekretär zeigte sich tief betroffen angesichts der in der Ukraine begangenen Kriegsgräuel. "Ich stelle mir meine Familie in einem dieser Häuser vor, die jetzt zerstört sind", sagte António Guterres bei einem Lokalaugenschein in der Kiewer Vorstadt Borodjanka: "Ich sehe meine Enkelinnen in Panik herumlaufen."

Der UN-Chef, der sich nach einer ergebnislosen Visite in Moskau nun vor dem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein Bild der Lage verschaffen wollte und auch die Stadt Butscha besuchte, wo nach dem Abzug der russischen Truppen hunderte Leichen ermordeter Einwohner gefunden wurden, rief Russland zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) auf, um die Kriegsverbrechen zu untersuchen. Die ukrainische Staatsanwaltschaft erklärte am Donnerstag, man untersuche mittlerweile mehr als 8500 Fälle mutmaßlicher von russischen Soldaten begangener Kriegsverbrechen.

Eines der Hauptthemen für Guterres ist, wie auch schon zuvor in Moskau, die Lage in der Hafenstadt Mariupol, wo ukrainische Truppen und Zivilisten von der russischen Armee eingekesselt sind. Auf den UN-Chef stieg zuletzt der Druck, eine aktivere Rolle in dem Konflikt einzunehmen. "Wir machen alles Mögliche", damit die Menschen von dem Gelände Asow-Stahl in Mariupol in Sicherheit gebracht werden können, sagte er dann am Abend bei einer Pressekonferenz in Kiew. Details zu den Plänen, wie die Eingeschlossenen befreit werden sollen, wollte er aber nicht offenlegen: "Ich werde keinen Kommentar abgeben, der diese Möglichkeit untergräbt", sagte der UN-Generalsekretär.

Drohung aus Moskau

Das russische Außenministerium beklagte unterdessen, dass der Westen Kiew ermutige, Ziele auf russischem Gebiet anzugreifen. Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa warnte, solch eine "Aggression gegen Russland" könne nicht ohne Antwort bleiben. Berater aus westlichen Ländern, die sich in ukrainischen Entscheidungszentralen aufhielten, würden kein Hindernis für eine russische Reaktion darstellen: "Wir raten davon ab, weiterhin unsere Geduld auf die Probe zu stellen." Selenskyjs Berater Mychailo Podoljak hob in einer Stellungnahme das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung hervor und deutete dabei auch mögliche Angriffe auf militärische Ziele in Russland an.

Auch der britische Verteidigungsminister Ben Wallace erklärte mögliche Angriffe der Ukraine auf russische Nachschublinien für rechtmäßig. "Wenn die Ukraine sich entscheidet, logistische Infrastruktur für die russische Armee ins Visier zu nehmen, wäre das nach internationalem Recht legitim", sagte er am Donnerstag. Wallace schlug auch vor, der Ukraine Waffen zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe die russische Schwarzmeerflotte getroffen werden kann. Diese habe immer noch die Möglichkeit, Ziele in der Ukraine zu treffen.

Nato erwartet langen Krieg

Die Nato sei bereit, die Ukraine jahrelang gegen Russland zu unterstützen, einschließlich des Übergangs von alten Waffen aus der Sowjetzeit zu moderner westlicher Militärausrüstung, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag in Brüssel: "Es besteht absolut die Möglichkeit, dass sich dieser Krieg über Monate und Jahre hinzieht und andauert." Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warnte, Waffenlieferungen in die Ukraine würden die Sicherheit Europas gefährden und für Instabilität sorgen.

US-Präsident Joe Biden forderte den US-Kongress auf, weitere 33 Milliarden US-Dollar für die Ukraine zur Verfügung zur stellen.

Das britische Außenministerium gab indes bekannt, dass ein britischer Staatsbürger in der Ukraine getötet wurde, ein weiterer werde vermisst. Wie der Nachrichtensender Sky News berichtete, waren die beiden Männer womöglich im russischen Angriffskrieg in der Ukraine aufseiten der ukrainischen Streitkräfte in Kampfhandlungen verwickelt. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es aber zunächst nicht. (Michael Vosatka, 28.4.2022)