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Corona kann die roten und weißen Blutkörperchen verändern.

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Es ist eine schwierige Ausgangslage für die Forschung: Gesucht wird ein Mittel gegen Long Covid. Dabei gibt es nicht das eine Long Covid, das Krankheitsbild ist vielschichtig. Oft sind es Organschäden an Herz oder Lunge, manche haben noch Monate nach der Erkrankung Geschmacksstörungen, und bei anderen entstehen Autoantikörper, die sich fälschlicherweise gegen den eigenen Körper richten. Für die Betroffenen mit Autoimmunreaktion gibt ein Herzmedikament jetzt Hoffnung.

Das Wissen über Spätfolgen einer Covid-Erkrankung ist zwar nach wie vor fragmentiert, aber es festigt sich: Martin Kräter hat eine mögliche Ursache für Long Covid erforscht. Er ist Biologe am Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin und untersucht seit Beginn der Pandemie Corona-Infizierte. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen konnte er feststellen, dass sich manche Zellen durch Corona verändern. Eine Covid-19-Erkrankung verändert die Größe und Steifigkeit roter und weißer Blutkörperchen. Vereinfacht gesagt sind sie nach einer Corona-Infektion zu fest, um sich durch die schmalen Gefäße zu quetschen, erklärt Kräter.

Seine Kolleginnen und Kollegen und er untersuchten in einem weiteren Schritt Genesene sieben Monate nach ihrem Krankenhausaufenthalt – eigentlich als Kontrollgruppe, um die gewonnenen Erkenntnisse zu festigen. Da zeigte sich: "Die Blutkörperchen sind bei manchen nicht wieder normal geworden, auch nicht sieben Monate nach der Infektion."

Das sei angesichts der Lebenszeit von Blutzellen beachtlich: "Blutzellen leben zwischen ein und zwei Tage im Körper, danach sterben sie automatisch ab. Die roten Blutzellen leben 120 Tage." Nach sieben Monaten waren die Zellen also alle schon mehrfach wieder erneuert worden: "Das Virus scheint einen Prozess in Gang zu setzen, durch den auch jene Blutkörperchen, die neu nachgebildet werden, noch verändert sind", sagt Kräter.

Mehrere Formen von Long Covid

Jetzt forscht er weiter, wie man die Symptome bekämpfen kann – und die sind vielfältig: Betroffene klagen über Kurzatmigkeit und Herzrhythmusstörungen genauso wie über extreme Erschöpfung und Geruchs- und Geschmacksstörungen. Es mangelt an differenzierten Definitionen des Krankheitsbildes, kritisieren Fachleute.

Im Moment fallen unter Long Covid alle Beschwerden, die noch Wochen nach einer Corona-Infektion auftreten und nicht durch eine Alternativdiagnose erklärt werden können. Das macht die Studienlage zu Spätfolgen einer Corona-Infektion schwammig. Es gibt keinen einheitlichen Definitionskatalog, der bei allen Studien konsistent herangezogen wird.

Kräter und seine Kolleginnen und Kollegen haben deshalb selbst drei Formen definiert: Erstens die Spätfolgen aufgrund von Organschäden, zweitens die Betroffenen mit Autoantikörpern, die sich gegen den eigenen Körper richten, und drittens jene Patientinnen und Patienten, die über lange Zeit noch Virenbestandteile in sich tragen.

Aktuell läuft an der Uniklinik Erlangen dazu ein Projekt mit verschiedenen Therapieansätzen: Jene mit Organschäden werden mit Reha-Therapie behandelt. Diejenigen, die noch Virenbestandteile im Körper haben, sollen mit einer Booster-Impfung zusätzlich immunisiert werden. Bei den ersten beiden Gruppen an Betroffenen wusste man aus medizinischer Sicht also grundsätzlich, was zu tun ist.

Für jene mit Autoimmunreaktion gab es lange keine Therapiemöglichkeiten. Darunter scheinen wohl auch viele der Long-Covid-Betroffenen zu fallen, die unter extremen Erschöpfungszuständen leiden. Ihre Symptome ähneln dem Chronischen Fatigue Syndrom. Aber, räumt Kräter ein, man könne über die Symptomatik nicht schließen, welcher Pathomechanismus vorherrscht: "Es gibt Patienten, die haben keine Autoantikörper und haben trotzdem diese Erschöpfungszustände."

Erste Erfolge mit BC 007

Manches bleibt also unklar, aber für die Behandlung jener mit Autoantikörpern gibt es jetzt zwei Hoffnungsträger: die Immunadsorption, das ist eine Blutreinigung zur Entfernung von Autoantikörpern, und das Medikament BC 007. Ursprünglich wurde es für chronische Herzmuskelschwäche entwickelt: "Es dockt an Autoantikörper an und neutralisiert sie", sagt Kräter. Das sei deshalb wichtig, weil die Autoantikörper verschiedenste funktionelle Proteine im Körper befallen, "auch die Blutzellen selbst und die innenliegende Wand der Blutgefäße", erklärt der Biologe.

Dass das Medikament BC 007 auch bei Long-Covid-Betroffenen wirken könnte, zeigen erste Fälle an der Uniklinik Erlangen. Bei drei von vier Behandelten zeigte sich eine gute Wirkung, der vierte erlitt einen Rückfall. Das könnte laut Kräter aber auch an einer erneuten Corona-Infektion gelegen haben; die Gründe sind unklar.

Er könnte auch sein, dass die Autoantikörper nach einer gewissen Zeit im Körper erneut hergestellt werden – dann müsste BC 007 mehrmals verabreicht werden. Wissenschaftlich nachgewiesen ist die Wirkung des Medikaments bei Long Covid jedenfalls noch nicht. Aber das soll sich ändern: Im März ist eine Studie angelaufen, erste Ergebnisse soll es laut Kräter Anfang Herbst geben. (Magdalena Pötsch, 29.4.2022)