David Diop, geb. 1966 in Paris und im Senegal aufgewachsen, ist für seine historischen Romane ausgezeichnet worden.

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Der franko-senegalesische Autor David Diop ist eine neue wichtige Stimme, die auf ganz eigene Weise afrikanische und französische Einflüsse vereint, uns in den Senegal der vorkolonialistischen Zeit entführt und dabei den Forscherdrang der Aufklärung mit der Magie von Naturreligionen verbindet.

David Diop, in Paris geboren und im Senegal aufgewachsen, ist heute Dozent für afrikanische Literatur an der Universität Pau. Sein letzter Roman Frère d’âme war in Frankreich ein großer Erfolg und für alle Buchpreise nominiert, 2021 hat Diop für ihn den International Booker Prize erhalten. Auf Deutsch erschien das Buch 2019 in einer Übersetzung von Andreas Jandl unter dem Titel Nachts ist unser Blut schwarz.

Inspiriert von der Geschichte seines Urgroßvaters hat er darin den 135.000 senegalesischen "Tirailleurs", die im Ersten Weltkrieg aufseiten der französischen Truppen kämpften, eine Stimme verliehen. 30.000 von ihnen wurden getötet, nachdem sie von der französischen Heeresleitung gezielt zur Brutalisierung des Krieges benutzt worden waren, ausgerüstet mit Gewehr und Buschmesser. Da das senegalesische Wolof eine mündlich tradierte Sprache ist, gibt es von diesen verlorenen Kämpfern in Frankreichs Schützengräben keinerlei schriftliche Zeugnisse.

Französisch fast vergessen

In seinem neuesten Buch nun, der Reise ohne Wiederkehr, im Original ist La Porte du voyage sans retour 2021 erschienen, stützt sich Diop auf die Reiseberichte des berühmten französischen Botanikers Michel Adanson (1727–1806), der als erster weißer Naturforscher im Senegal unterwegs war, um seltene Pflanzen und Bäume zu klassifizieren.

Sein Ziel ist, ganz im Geist der Aufklärung, eine umfassende Enzyklopädie der afrikanischen Flora und Fauna. Hier steht er in Konkurrenz zum späteren Sieger dieses Unterfangens, Linné. Aber während dieser in klassischem Latein katalogisiert, lässt sich Adanson tief auf die Wolof-Sprache der Einheimischen ein, so sehr, dass er über lange Zeit sein Französisch fast vergisst.

Wir sind in vorkolonialer Zeit, in der Zeit des berühmten Dreieckshandels, als Sklavenschiffe mit Billigwaren von den großen Hafenstädten Bordeaux, Nantes, La Rochelle, aber auch von England, Portugal und den Niederlanden aus die Konzessionen an der westafrikanischen Küste anfahren, um dort billig Sklaven einzukaufen, die sie teuer auf den Antillen oder in Mittel-und Südamerika verkaufen, um dann reich beladen mit Zucker und Baumwolle zurückzukehren.

Dieser lukrative Sklavenhandel wird durch die Sklavenfänger in den unterschiedlichen, miteinander rivalisierenden senegalesischen Königreichen ermöglicht. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Insel Gorée im Karibischen Meer, seit 1978 Weltkulturerbe, die Gedächtnisinsel mit dem sogenannten Sklavenhaus, dessen Pforte zur Reise ohne Wiederkehr führt.

Geheimnisse der Natur

Adanson ist ein junger Forscher voller Elan, aber als er vom Schicksal einer schönen jungen Afrikanerin hört, der es gelungen sein soll, ihren Häschern zu entfliehen und sich irgendwo unerkannt zu verbergen, gerät alles für ihn ins Wanken: sein Weltbild, seine Überzeugungen, sein rationales Denken.

David Diop, "Reise ohne Wiederkehr". Aus dem Französischen von Andreas Jandl. 22,70 Euro / 236 Seiten. Aufbau-Verlag, 2022
Cover: Aufbau Verlag

Er ordnet alle seine Bemühungen der Suche nach ihr unter, die ihn mit ihrem rätselhaften Schicksal längst in ihren Bann gezogen hat. Als er die schwarze Venus schließlich findet, ist es völlig um ihn geschehen, der berühmte Coup de Foudre wird sein Leben für immer verändern. Den Forscher und die schöne Afrikanerin verbindet die Liebe zur Natur, deren Geheimnisse beide zu lesen versuchen. Maram ist gewissermaßen im Dschungel aufgewachsen, sodass ihr früh erworbenes Wissen ihr hilft, nach ihrer Flucht als Heilerin zu überleben, versteckt unter einer Maske.

Als Adanson sie findet, vertraut sie ihm ihre Geschichte an. Es ist eine traumwandlerische, eine unmögliche Liebe. Obwohl Adanson sich durch die Sprache des Landes schon fast wie ein Schwarzer fühlt, weiß er, dass sie diese Liebe in keinem Land werden leben können, dass er auch seine wissenschaftliche Karriere aufs Spiel setzt. Aber es sind noch ganz andere, archaische Kräfte, die zum tragischen Ende dieser Liebe und zur lebenslangen melancholischen Grundierung des Botanikers führen ...

Eine unerfüllte Liebe

Die Geschichte seiner großen unerfüllten Liebe hinterlässt er nach seinem Tod seiner Tochter in einem mit einer Hibiskusblüte verzierten Schränkchen verborgen. Diese Tochter ist selbst eine berühmte Gartenwissenschafterin geworden, deren Bücher genauso wie der Forschungsbericht ihres Vaters bis heute gedruckt werden.

Zwischen Reisebericht und Abenteuerroman changierend, erzählt David Diop hier auf unnachahmlich poetische Weise von einem weißen Orpheus und einer schwarzen Eurydike, deren Schönheit wir übrigens in dem berühmten Bild von Marie-Guillemine Benoïst bewundern können. (Barbara Machui, ALBUM, 30.4.2022)