Katja Kullmann gibt die Frau ohne Begleitung als das zu erkennen, was sie womöglich schon seit sehr langer Zeit ist: "die Heldin der Moderne".

Foto: Imago / Westend61 / Gemma Ferrando

Sie hat viele Namen: die Singlefrau, die Alleinstehende, Alleinlebende, die Frau ohne Begleitung, die alte Jungfer oder wie auch immer man sie nennen mag. Viel Ansehen hat sie eher nicht, aber es gibt sie zuhauf. Nicht zuletzt deshalb erscheinen wohl auch jede Menge Bücher von ihr und über sie, zuletzt etwa Ungebunden der schwedischen Autorin Malin Lindroth.

Irgendetwas hat es mit diesen Frauen ohne Männer – nur was? Einen neuen Versuch, das zu ergründen, startet nun die deutsche Autorin und Taz-Journalistin Katja Kullmann, die sich bereits einen Namen gemacht hat mit Sachbüchern, die Zeitströmungen fassbar machen und manchmal auch Vorstellungen davon geraderücken: Für Generation Ally: Warum es heute so kompliziert ist, eine Frau zu sein erhielt sie 2003 den Deutschen Bücherpreis in der Kategorie Sachbuch, in Echtleben: Warum es heute so kompliziert ist, eine Haltung zu haben ging es um das gar nicht so glamouröse, sondern vielmehr höchst prekäre Leben der sogenannten Kulturarbeiterinnen.

Auch jemand wie Kullmann, die in ihrer Biografie so schillernde Namen wie Frankfurter Allgemeine Zeitung oder Suhrkamp auflisten kann, war im wirtschaftswunderbaren Deutschland einmal auf Hartz IV angewiesen.

Marktmechanismen

Um Marktmechanismen geht es auch in Die singuläre Frau – aber eben ganz anders. Die "singuläre Frau", die "Solistin", so nennt Kullmann all die Frauen, die ohne Begleitung durchs Leben gehen. Manche von ihnen sind verwitwet oder geschieden, manche wollen keine Partnerschaft, andere leben unfreiwillig allein.

Sie alle eint aber, dass eine Gesellschaft, die Hetero-Beziehungen zu "Natur" und im Extremfall zum einzigen relevanten Lebensinhalt einer Frau erklärt, sie nicht einfach sein lässt. Die Frau ohne Mann, so scheint es, ist wie ein freies Radikal, das die "natürliche" Ordnung stört, und muss deshalb eliminiert, sprich: durch einen Partner neutralisiert werden.

Kullmann erzählt recht freimütig und offen aus ihrem eigenen Leben, und sie tut das auf eine grundsympathische, so gar nicht geschwätzige oder aufdringliche Art. Kurz vor ihrem 50. Geburtstag wird ihr plötzlich schockartig klar: Sie ist plötzlich zum Langzeitsingle geworden. Das Schöne ist nun aber, dass Kullmann daraufhin nicht ins Lamentieren gerät. Vielmehr gibt sie die Frau ohne Begleitung als das zu erkennen, was sie womöglich schon seit sehr langer Zeit ist – ohne dass es jemandem aufgefallen wäre: "die Heldin der Moderne".

Man könnte verzweifeln ...

Kullmann zeichnet historische Entwicklungen nach und zeigt, wie wirtschaftliche, gesellschaftliche, medizinische und politische Entwicklungen dazu führten, dass Frauen nicht länger gezwungen waren, sich zu verheiraten bzw. verheiratet zu bleiben. So führte etwa das "Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts" unter SPD-Kanzler Helmut Schmidt, das das "Schuldprinzip" durch das "Zerrüttungsprinzip" ersetzte, zu einer regelrechten Scheidungsflut.

Katja Kullmann, "Die singuläre Frau". 24,70 Euro / 336 Seiten. Hanser-Berlin-Verlag, 2022
Cover: Hanser Berlin

Frauen, das weist Kullmann anhand zahlreicher literarischer sowie wissenschaftlicher Quellen nach, steigen in einer Ehe eben nicht unbedingt gut aus, angefangen mit der nach wie vor ungerecht verteilten (wenn man überhaupt von Verteilung sprechen kann) Care-Arbeit, noch lange nicht zu Ende mit ideologischem Steuerrecht (notorious Ehegattensplitting).

Wie sagt es so schön die Kulturjournalistin Marlen Hobrack, die Kullmann zu Wort kommen lässt: "Der Mythos von der Frau, die nur in Beziehungen glücklich sein kann, ist ideologisch so wichtig, weil Beziehungen mit so vielen Nachteilen verknüpft sind. Man muss sie jungen Frauen schon in sehr pastelligen Farben und mit viel Weichzeichner versehen anpreisen, damit das Leben mit Mann und Kind und Hund und all dem Dreck, den sie machen, wirklich fabelhaft erscheint."

... man muss das aber nicht

Man könnte verzweifeln angesichts der vielen Ungerechtigkeiten, der Statistiken, die nach 1950 klingen, aber leider höchst aktuell sind. Man muss das aber nicht, im Gegenteil beendet man die Lektüre frohgemut, weil Kullmann ein sehr zuversichtliches Buch geschrieben hat.

Das liegt nicht zuletzt an ihrem empathischen, warmherzigen Tonfall, der durchaus auch kleine Bösartigkeiten zulässt, vor allem aber etwas sehr Menschenfreundliches und Großzügiges hat. Sie zeigt nicht mit dem Finger, vergleicht nicht und wertet nicht ab.

Stattdessen wertet sie auf: Sie zeigt, dass das Leben als "Solistin" etwas absolut Begehrenswertes ist. Nicht besser, wohlgemerkt, als das Paarleben – aber eben auch kein Fünfterl schlechter. (Andrea Heinz, ALBUM, 1.5.2022)