Hier noch in Bau, inzwischen bezugsfertig: Der neue ORF-Newsroom auf dem Küniglberg für TV, Radio, Online, Social Media für mehr als 400 Menschen.

Foto: ORF/Roman Zach-Kiesling

Wien – In 48 Tagen, am 16. Juni, sollen hunderte Journalistinnen und Journalisten des ORF in den neuen Newsroom auf dem Küniglberg einziehen, die bisher getrennt in vielen Räumen in Funkhaus und ORF-Zentrum für Radio, TV und Online arbeiteten. Nun, eineinhalb Monate vor dem Einzug, soll ausformuliert und ausverhandelt sein, wie dieser Newsroom – grob – funktionieren soll. Er dürfte in diesen Stunden in Kraft gesetzt werden.

Organisationsanweisung fertig

Solche Strukturen legt der ORF-Generaldirektor in einer sogenannten Organisationsanweisung fest, ORF-Kürzel OA. Alexander Wrabetz hat noch Entwürfe versandt, bevor er den Chefsessel mit Jahresende räumte. Nachfolger Roland Weißmann hat viele Stunden mit Redakteursrat und Betriebsrat diskutiert. Nun soll die OA fertig sein, versandt und damit in Kraft gesetzt war sie Freitagvormittag noch nicht.

  • Update: Anweisung in Kraft, kleine Änderungen. ORF-General Roland Weißmanns Organisationsanweisung wurde nach Erscheinen dieser Story versandt. Bis auf zwei kleinere Änderungen entspricht sie den hier berichteten Plänen. Die Änderungen: Ob Europa-Themen künftig wie bisher zur Innenpolitik ressortieren oder zum Auslandsressort, soll noch geklärt werden. Bleibt Hans Bürger Politikchef könnte sie bei ihm bleiben – er legt viel Wert auf diese Zuständigkeit. Und: Nicht nur die Programmdirektorin, sondern auch die Radiodirektorin ist in der Organisationsanweisung für die multimediale Zusammenarbeit erwähnt – bei Ö1 sind Kultur und Wissenschaft ja eigene Hauptabteilungen, die zur Radiodirektion gehören.

Der neue, multimediale Newsroom des ORF wurde – im Zuge eines 303 Millionen Euro schweren Bau- und Sanierungsprojekts für den Küniglberg – 2014 beschlossen, seither wird geplant und gebaut und in vielen Workshops konferiert und diskutiert. Wie das Herzstück des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Information mit ihren mehr als 400 Menschen, in diesem gemeinsamen Newsroom zusammen- oder doch nur nebeneinander arbeiten soll, wird 48 Tage vor Bezug geklärt.

Fronleichnamsprozession auf den Küniglberg

Vor allem in der Radioinformation sind Aufregung und Sorge groß, die zu Fronleichnam auf den Küniglberg zieht und in einem gemeinsamen Newsroom mit dem vielfach aufwendigeren und teureren und schillernderen Fernsehen um Eigenständigkeit und selbstbewusste Unabhängigkeit der gerade politischen Berichterstattung fürchtet.

Ein erster Auftritt von Roland Weißmann und der neuen Radiodirektorin Ingrid Thurnher vor der Radiobelegschaft in einer Betriebsversammlung trug, sehr vorsichtig formuliert, nicht gerade zur Zuversicht bei. Thurnher soll gar das von den Radiomitarbeiterinnen vehement verteidigte Funkhaus als eine "Altlast" bezeichnet haben – die Bezeichnung aber dann wieder relativiert haben.

Sendungsteams wie für die Radio-"Journale" oder die "ZiB 2" blieben bestehen, beruhigen an diesem Punkt ORF-Generäle von Wrabetz bis Weißmann besorgte Redakteurinnen und Redakteure vor allem aus dem Radio. Aber: Die Ressorts, die insbesondere auch die Inhalte für die "Journale" liefern, werden vereint – Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft, Chronik, die künftig mit einer Ressortleiterin und einem Stellvertreter TV, Radio, Online beliefern sollen.

Ressortleiter gesucht – sieben Wochen vor Besiedelung

Die Funktionen werden neu ausgeschrieben – eineinhalb Monate vor der Besiedelung des Newsrooms, am Freitagvormittag, lagen diese Ausschreibungen noch nicht vor. Bei zwei Wochen Bewerbungsfrist, internen Assessment-Hearings, Abstimmungen in Redaktionsversammlungen und Aussprachen mit dem Redakteursrat werden die Ressortleiterinnen wohl nicht sehr lange vor der Fronleichnamsprozession auf den Küniglberg bestellt.

Als wahrscheinliche Besetzung gehandelt wird Hans Bürger für Inland – ob er Europa ans Ausland abgeben muss, sorgt noch für Verwerfungen. Auch der unter Türkis-Blau abgesetzte frühere TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher ist im Gespräch für die Innenpolitik. Beide müssten altersbedingt vor allem auch Nachfolgerinnen aufbauen. Für die Wirtschaft wird Barbara Battisti hoch gehandelt, für die Chronik Claudia Lahnsteiner. Und für die Außenpolitik Hartmut Fiedler, der einzige, der von einer Radio-Ressortleitung in den Newsroom kommt und dort ein gemeinsames Ressort führen soll – wiederum zum Unmut der Radiomannschaft.

ORF-General Weißmann kündigte vorige Woche die Ausschreibungen "relativ rasch" an. Bis neue Ressortleiterinnen bestellt sind, bleiben die bisherigen in ihrer Funktion.

Newsdesk als Schaltzentrale

Eine Schlüsselfunktion ist ebenfalls zu besetzen: die Leitung des Newsdesks, die mit mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schnelle Nachrichten für alle Kanäle produzieren soll – für TV, Radio, Online und Social Media.

Chefredakteure bleiben

Klar ist: Die Chefredakteure von Radio, Fernsehen und Online sollen nicht ausgeschrieben werden, die bisherigen Redaktionschefs – Hannes Aigelsreiter, Matthias Schrom, Christian Staudinger – ziehen in diesen Funktionen in den gemeinsamen Newsroom ein. Wie sie bei unterschiedlichen Auffassungen zu einer Entscheidung kommen, sollen sie sich untereinander ausschnapsen und sich dafür eine Geschäftsordnung geben. Sie sollen gleichberechtigt agieren.

Bis Freitagvormittag waren nach unbestätigten Infos aus dem ORF auch die Strukturen für die Stellvertreterinnen – Eva Karabeg macht etwa im TV die Planung, Armin Wolf ist zuständig für Social Media – noch nicht fixiert. Daran soll sich, heißt es im ORF, aber auch nichts ändern.

Nicht fix sind – in einem redaktionellen Schichtbetrieb – auch die Sitzplätze im Newsroom. Auf jeweils zehn Menschen sollen rund sechs Plätze kommen. Auch die Chefredakteure sollen nach bisherigem Diskussionsstand in den Newsroom einziehen.

Übergangslösung für Betriebsrat

Geklärt ist unterdessen nach STANDARD-Infos die betriebsrätliche Vertretung der Belegschaft, die aus den Betriebsratsbereichen Radio, TV und Online in einen gemeinsamen Glaspalast zieht. Schon bisher ist die TV-Information dem ORF-Generaldirektor disziplinär zugeordnet, ab voraussichtlich 1. Juli ist das auch die Radio-Information (bisher bei Radiodirektorin Ingrid Thurnher).

Die bisher zuständigen Betriebsräte aus Radio, TV und Online sollen mit ORF-General Weißmann vereinbart haben, dass sie ihre Zuständigkeit für die jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behalten – bis zur nächsten regulären Betriebsratswahl in der ORF-Generaldirektion Anfang 2024. Deren Gewicht auch im Zentralbetriebsrat des ORF nimmt mit den gut 400 Beschäftigten des Newsrooms ab dann deutlich zu – etwa auf die heutige Größe des ORF-Radios. (Harald Fidler, 29.4.2022)