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Ein einzelner Joint hat strafrechtlich in Österreich in den meisten Fällen keine gravierenden strafrechtlichen Konsequenzen, wenn man allerdings über Jahre 97 Kilogramm Cannabis produziert und verkauft, sind teilbedingte Strafen schon ein Erfolg für die Verteidigung.

Foto: Reuters / Stringer

Wien – "Pizza-Connection" nannten die Medien einen italienisch-amerikanischen Heroinschmuggelring, der bis in die 80er-Jahre das Rauschmittel in den Vereinigten Staaten vertrieb, vornehmlich über Pizzerien, in denen die Erlöse auch gleich gewaschen wurden. 40 Jahre später ist das Darknet das Mittel der Wahl, um illegale Substanzen unter das Volk zu bringen. Ein Mittel, das auch die drei männlichen und die weibliche Angeklagte nutzten, die sich vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Ulrich Nachtberger verantworten müssen.

Dass es sich um einen ungewöhnlichen Prozess handelt, bemerkt man bereits vor Beginn: Viele Familienmitglieder und Bekannte der vier Angeklagten sind gekommen, manche Besucher müssen die Verhandlung stehend verfolgen. Eine derartig gute soziale Einbettung ist im Landesgericht für Strafsachen Wien nicht selbstverständlich. Ungewöhnlich ist aber auch, dass alle Beschuldigten unbescholten sind und dennoch laut Staatsanwältin Kristina Jahn innerhalb von neun Jahren 97 Kilogramm Marihuana produziert und verkauft haben sollen.

Soldaten und Botschaftsmitarbeiter

Der berufliche Hintergrund der zwischen 34 und 48 Jahre alten Angeklagten ist recht divers: Die Männer waren bei einer Spezialeinheit des Bundesheers, einer danach im Dienste zweier prominenter Kärntner Unternehmerfamilien und schließlich für die Botschaft eines nahöstlichen Staates tätig. Einer ist seit Pandemiebeginn arbeitslos, davor hatte er aber auch für die angeklagte Selbstständige gearbeitet.

Die von Arthur Machac, Alexander Phillipp und Werner Tomanek verteidigten Österreicher bekennen sich allesamt mehr oder weniger schuldig. Angeklagter Nummer zwei hat bei der Polizei sogar mehr zugegeben, als die Ermittler gewusst haben, "überschießendes Geständnis" nennt sich das.

"Wie hat das Ganze begonnen?", fragt der Vorsitzende als Erstes den Zweitangeklagten. "Ich bekam 2009 einen Job in einem privaten Casino, habe dann selbst zu spielen begonnen", sagt der. Da sich Wahrscheinlichkeiten schwer ändern lassen, wurde es mit dem Geld eng. Daher habe er mit seinem Freund, dem Erstangeklagten, im Jahr 2012 beschlossen, in dessen Wohnung eine Cannabisplantage anzulegen. "Wir haben uns das selbst gelernt", begründet er mit Ernteausfällen, warum in den ersten vier Jahren nur 17,7 Kilogramm produziert wurden, die zunächst auf der Straße verkauft wurden.

Bis zu 600.000 Euro Gewinn

"2016 sind wir auf die Idee gekommen, es im Darknet zu verkaufen", erzählt der Zweitangeklagte weiter. Das Geschäft boomte, er mietete eine zweite Wohnung, um eine Plantage betreiben zu können, 2021 mietete er einen Keller im Haus seiner ehemaligen Chefin, der Viertangeklagten. "Das ist ja keine Non-Profit-Veranstaltung", stellt Vorsitzender Nachtlberger völlig korrekt fest. "Wie viel haben Sie in diesen neun Jahren insgesamt verdient?" – "Eine halbe Million bis 600.000 netto. Alle zusammen", schätzt der Zweitangeklagte.

Der irgendwann 2017 oder 2018 eingestiegene Drittangeklagte bestätigt ebenso wie die Viertangeklagte diese Angaben. Letztere begründet auch noch kurz ihr Motiv: "Es war wegen Corona nichts mehr zu verdienen, die Sozialversicherungsbeiträge und die Schulden für das Elternhaus waren noch da", argumentiert sie. Als der Zweitangeklagte ihr 2.000 bis 2.500 Euro Monatsmiete für den Keller geboten hatte, habe sie zugestimmt, obwohl sie wusste, was dort (aus)getrieben wird.

Lediglich der Erstangeklagte ist nur teilgeständig. "Ich möchte keinen Streit verursachen, hier sind meine besten Freunde", entschuldigt er sich, ehe er beteuert, dass die Aktion erst 2016 begonnen habe. Er verrät dafür mehr über das Geschäftsmodell im elektronischen Computernetz: Zunächst habe man im Darknet europaweit angeboten.

"Ratings sind das Wichtigste"

"Ratings sind dort das Wichtigste", erklärt er. Zu Beginn sei man als neuer Marktteilnehmer noch mäßig erfolgreich gewesen. "Auch nicht von der Qualität her. Aber unsere Kundenbetreuung war sehr gut, wir haben jedem persönlich geantwortet", verrät er ein Erfolgsrezept für die Rauschmittelbranche.

Die Bewertungen verbesserten sich sukzessive, schließlich konzentrierte man sich auf den Heimatmarkt: "In Österreich waren wird dann in einer Woche ausverkauft", schildert der Erstangeklagte den Bedarf an mehr Anbaufläche. Die Kunden bestellten übrigens zum Teil Compact Discs, man könnte also von einer "CD-Connection" sprechen. Oder auch "Müsli-Connection", denn schlussendlich kam ein wichtiger Hinweis aus Deutschland: Dort wurden bestimmte besonders geruchsfest schließende Cerealien-Verpackungen für den Versand bestellt, die sich zurückverfolgen ließen.

Staatsanwältin spricht für Angeklagte

Selbst Anklägerin Jahn findet in ihrem Schlussplädoyer positive Worte für die Angeklagten. "Man kann eine günstige Zukunftsprognose abgeben", ist sie überzeugt, "ehrliche Verbrecher" vor sich zu haben, bei denen eine milde Strafe ausreicht.

Auch der Senat sieht keinen Grund für die Ausschöpfung des Strafrahmens von einem bis 15 Jahren Gefängnis. Der teilgeständige Erstangeklagte wird zu drei Jahren, zwei davon bedingt, verurteilt, die Nummer zwei zu 33 Monaten, davon 22 bedingt, der kürzer aktive Drittangeklagte fasst 30 Monate, 20 davon bedingt, aus, und die Viertangeklagte kommt mit 15 Monaten bedingt davon. Zusätzlich werden vom Gericht zwischen 5.000 und 25.000 Euro für verfallen erklärt, die die Angeklagten in Raten an die Staatskasse abliefern müssen. Alle Angeklagten nehmen die Entscheidung ebenso an wie die Staatsanwältin, das Urteil ist daher rechtskräftig. (Michael Möseneder, 29.4.2022)