"Nach der Uni habe ich im Onlinemarketing begonnen und nach ein paar Jahren eine leitende Position übernommen. Mit dieser Tätigkeit konnte ich mich nach einiger Zeit aber nicht mehr identifizieren. Wenn man nicht gerade für ein Unternehmen arbeitet, das eine besondere Botschaft vermittelt bzw. ein sinnstiftendes Geschäftsmodell verfolgt, verliert man irgendwann die Motivation und ist auf Dauer unzufrieden.

In meinem aktuellen Job ist das zum Glück anders, und ich kann meinen Beitrag leisten. Ich berate Jungunternehmen im öffentlichen Sektor. Davor bin ich für ein paar Jahre ins Ausland gegangen. Ich bin sozusagen ein Tauschgeschäft eingegangen, habe neue Aufgaben übernommen und dafür beim Gehalt auf einen Zuwachs verzichtet. Mittlerweile bin ich mir aber nicht mehr sicher, ob das eine gute Entscheidung war. Denn diese Entwicklung zieht sich seitdem durch meine berufliche Laufbahn.

Vor kurzem habe ich mich für eine Stelle im Führungsteam eines Start-ups beworben. Das Gespräch lief eigentlich ganz gut, bis mir gesagt wurde, dass es für die Position eher einen juristischen Background braucht. Angeboten wurde mir dann eine Stelle zwei Ebenen darunter. Das war schon sehr bezeichnend und hat mir gezeigt, dass es für mich wohl künftig nur mehr Sidesteps in der Karriere gibt und ein Aufstieg außer Reichweite scheint. Ich weiß nicht, wie ich da wieder herauskomme.

Ich bin 38 Jahre, habe genug Berufserfahrung – auch als Führungskraft. Manchmal denke ich, ich habe die sogenannte gläserne Decke erreicht in Österreich. Das kann ich natürlich nur aus meiner subjektiven Perspektive sagen. Im Vergleich zu meiner Erfahrung im internationalen Umfeld merke ich hier aber deutliche Unterschiede. In anderen Ländern haben Aufstiegsmöglichkeiten wenig damit zu tun, ob man politisch engagiert ist oder welches Geschlecht man hat. In Österreich hingegen scheint das Parteibuch in vielen Jobs relevant zu sein, und das ärgert mich sehr.

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An ihrem Job mag die 38-Jährige vor allem das internationale Umfeld und die selbstständige Arbeitsweise. Weniger zufrieden ist die leitende Angestellte mit der fehlenden Perspektive in ihrem Job (Symbolbild).
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Keine großen Sprünge

Eigentlich bin ich sehr zufrieden mit meinem Job: Er ist international, ich kann sehr selbstständig arbeiten und habe Freude an meiner Tätigkeit. Das Thema Gehalt treibt mich aber doch sehr um. Obwohl ich im öffentlichen Dienst beschäftigt bin, falle ich mit meinem Vertrag nicht in das dafür vorgesehene Gehaltsschema.

Ich bin damals mit 3.500 Euro brutto im Monat in meinen ersten Job eingestiegen. Das war ein sehr gutes Einstiegsgehalt, mit dem ich sehr zufrieden war. Als leitende Angestellte verdiene ich jetzt 4.100 Euro brutto. Das heißt: In zehn Jahren hatte ich einen Anstieg von 600 Euro brutto oder etwa 300 Euro netto.

Das tut mir schon weh – vor allem in Hinblick auf meinen Werdegang und die Inflation in dem Zeitraum. Aber auch der Vergleich mit anderen frustriert mich. Das Gehalt ist schließlich ein Ausdruck von Wertschätzung. Mit meinem befristeten Vertrag und ohne Aussicht auf Entwicklungsmöglichkeiten hat sich bei mir schon etwas Unzufriedenheit breitgemacht. Intern habe ich mich viel erkundigt, wie es um meine Gehaltssituation steht, und ich war auch schon beim Betriebsrat. Ich versuche proaktiv zu sein und nehme das Thema auch für andere mit, die es an meinem Arbeitsplatz betrifft. Gefruchtet hat dieser Ansatz bislang aber nicht.

Karrierecoaching

Manchmal denke ich, vielleicht bleibt mir nur der Weg zurück in die Privatwirtschaft. Ich habe mir deshalb einen Termin mit einer Jobcoachin ausgemacht und möchte mir mal meine Perspektiven genau ansehen bzw. auch nachvollziehen, ob meine Unzufriedenheit vielleicht auch andere Gründe haben könnte. Hinzu kommt nämlich das hohe Stresslevel in meinen Job. Aus dem Onlinemarketing bin ich auch gewechselt, weil sich die Arbeitsbedingungen schnell verschlechtert haben. Der Druck war immer sehr groß, man musste sich konstant weiterbilden, und die Bezahlung konnte da einfach nicht mithalten.

Mittlerweile habe ich aber auch das Gefühl, dass manche Unternehmen denken, dass man für gewisse Jobs oder Themen – vor allem im Marketing – schon zu alt ist. Gerade als Frau ist das Alter immer wieder ein Thema. Ich bin gewollt kinderlos. Aber kaum ist man aus der Wahrnehmung heraus, dass man schwanger werden könnte, kommt man in die Schiene "bald zu alt".

Kredit und Gesundheit

Letztes Jahr habe ich mit meinem Partner eine Wohnung in einem Wiener Randbezirk gekauft. Wir haben lange überlegt und dann die Entscheidung für uns getroffen, als uns der Zeitpunkt günstig erschien. Ausgaben sind bei mir neben dem Kredit von 1.100 Euro im Monat hauptsächlich Lebensmittel bzw. gesunde Ernährung. Gesundheit generell ist mir wichtig und auch etwas wert. Ich habe zum Beispiel eine zusätzliche Gesundheitsversicherung abgeschlossen. Außerdem teilen wir uns zu zweit ein Auto.

Wenn wir reisen, machen wir keine Luxusurlaube. Ich kenne viele Leute international, die man dann mal besuchen kann, und auch sonst brauchen wir keine superschicken Hotelzimmer. Insgesamt lebe ich eigentlich sehr sparsam. Mein Partner arbeitet in der Kulturbranche und hat daher eine atypische Beschäftigung, die vor allem in der Pandemie sehr schwierig war. Ich bin also die Alleinverdienerin in unserem Haushalt. Mein Gehalt entspricht aber nicht dem, was mein männliches Pendant in dieser Position verdienen würde.

Im Hinterkopf habe ich auch den Gedanken, wieder ins Ausland zu gehen. Seilschaften und Freunderlwirtschaft sind halt doch typisch österreichisch. Wenn man davon einmal Abstand hatte, kommt einem das nochmals befremdlicher vor, und das lässt einen daran zweifeln, ob man hierbleiben möchte." (Anika Dang, 2.5.2022)