Soll Österreich in die Erfolgsspur führen: Ralf Rangnick.

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Da haben Gerhard Milletich und Peter Schöttel, Präsident und Sportdirektor des österreichischen Fußballbunds (ÖFB), alles richtig gemacht. So oder so ähnlich lauten die meisten Reaktionen auf die Bestellung von Ralf Rangnick zum Fußball-Teamchef. Schließlich ist Rangnick ein seit vielen Jahren anerkannter Experte, der den heimischen Fußball wie auch die große europäische Bühne kennt, ja, dessen Wirken sogar bis in die USA gereicht hat. Nun tritt der 63-jährige Deutsche die Nachfolge von Franco Foda an.

Dass es nur besser werden könnte, ist natürlich Unsinn, schlechter geht theoretisch immer, auch wenn das ÖFB-Team zuletzt in der Qualifikation für die WM in Katar als Gruppenvierter – und danach im Playoff gegen Wales – fast blamabel gescheitert ist. So gibt der ÖFB und gibt auch Rangnick klar das Ziel aus: Qualifikation nicht nur für die EM 2024, just in Rangnicks Heimat Deutschland, sondern natürlich auch für die WM 2026. Der Schwabe erhielt vorerst eine Zweijahresvertrag, der sich im Fall der EM-Qualifikation um zwei weitere Jahre verlängert.

Geboren zum WM-Finale

Ralf Rangnick – geboren übrigens am 29. Juni 1958, dem Tag des WM-Finales, in dem der 17-jährige Pelé zwei Tore zum 5:2 Brasiliens gegen Schweden beisteuerte – war am Freitag bei seiner Präsentation nicht zugegen. Er wird erst am 29. Mai in Wien und beim Team aufschlagen. Derzeit ist er noch beim englischen Premier-League-Club Manchester United engagiert, und er bleibt es auch, freilich hört er mit Saisonende als Trainer auf und zieht sich auf die Position eines Beraters zurück. Beim ÖFB geht man davon aus, dass sich Rangnicks künftige Aufgabe in Manchester mit dem Teamchefposten auch zeitlich vereinbaren lässt. Bemerkenswert und in dieser Art neu ist die Doppelgleisigkeit freilich allemal.

Ein Hansdampf in vielen Gassen ist Rangnick immer gewesen. Schon am Ende seiner Aktivenlaufbahn im Amateurbereich war er auch als Trainer tätig, dazu studierte er Lehramt (Sport, Englisch) bis zum Ersten Staatsexamen an der Universität in Stuttgart und arbeitete in einer Firma für Sprachreisen. Mit 22 Jahren war er A-Lizenz-Traner, mit 26 erwarb er an der Sporthochschule Köln als Jahrgangsbester (Notenschnitt 1,2) auch die Fußballlehrerlizenz. Im Amateur- und Nachwuchsbereich machte er sich als Trainer einen Namen. Er stieg von der Regionallliga (Reutlingen, Ulm) quasi in die Bundesliga auf, wo Stuttgart, Hannover 94 und Schalke 04 die ersten Stationen waren. Dann gelang ihm mit Hoffenheim der Durchmarsch von der dritten Klasse in die Bundesliga, ehe er nach Gelsenkirchen zurückkehrte und mit Schalke den DFB-Pokal gewann.

Erfolgreich für Red Bull

Im September 2011 gab Rangnick mit Tränen in den Augen bekannt, dass er an einem Burnout-Syndrom leide, und nahm sich eine Auszeit. Zehn Monate später war er gesundheitlich wieder auf der Höhe und der neue Sportdirektor des FC Red Bull Salzburg. Auf der Payroll des Dietrich Mateschitz blieb er acht Jahre lang, wobei er zunächst in Salzburg (Double 2014 und 2015) und später auch in Leipzig sehr erfolgreich wirkte. Im Juli 2019 wurde er "Head of Sport and Development Soccer" bei Red Bull, da hatte er sich vor allem um den brasilianischen Ableger Bragantino und um die New York Red Bulls zu kümmern. Im Juli 2021 wurde sein Vertrag vorzeitig aufgelöst. Ein halbes Jahr später heuerte er als Interimstrainer bei Manchester United an, wo sie nicht nur Hymnen auf ihn singen. Zuletzt, nach einem 0:4 gegen Liverpool, tönte er, dass United, obwohl gespickt mit Stars, in absehbarer Zeit quasi die halbe Mannschaft austauschen sollte.

Vor seiner Red-Bull-Zeit waren nicht wenige von Rangnicks Engagements vorzeitig zu Ende gegangen, und es ist wahr, er hatte nicht immer die beste Nachred'. Für sein Privatleben gilt das wiederum gar nicht, diesbezüglich hält sich Rangnick auch selbst sehr bedeckt. So bekam die Öffentlichkeit erst nach mehr als einem Jahr überhaupt mit, dass Ende 2017 seine Ehe, der zwei erwachsene Söhne entstammen, in die Brüche gegangen war.

Fußball-"Professor"

Sein Titel "Professor" ist kein echter, auch so gesehen passt der neue Teamchef zu Österreich. Er bekam den Titel verliehen, als er dem TV-Publikum im ZDF-"Sportstudio" 1998 die Funktionsweise der Abwehr-Viererkette erklärte. Der rastlose Rangnick steht, das hat er speziell in Salzburg und Leipzig oft genug bewiesen, für Offensivfußball, für Powerfußball. Die seinerzeit von ihm erklärte Viererkette ist sowieso kein Muss. Einer seiner vielen markigen Sprüche lautet: "Wenn schon vier Leute so viele Fehler machen, ist es vielleicht richtig, dass man auf eine Dreierkette umstellen sollte." Offensivfußball, das klingt vielversprechend in den Ohren derer, die diesbezüglich viel Potenzial im ÖFB-Team sehen und deshalb oft genug an Franco Fodas Herangehensweise verzweifelten.

Wie die Rangnick-Nachred’ in Österreich sein wird, bleibt abzuwarten. Vorerst lebt immerhin die Hoffnung, dass Gerhard Milletich und Peter Schöttel tatsächlich alles richtig gemacht haben. (Fritz Neumann, 30.4.2022)