Boris Becker geht mit Partnerin Lilian de Carvalho Monteiro vor Gericht. Sie wird den Saal alleine verlassen.

Am Urteilsspruch gegen Boris Becker gibt es nichts zu deuteln. Wer die Rechtsprechung englischer Gerichte verfolgt, wird konstatieren müssen, dass der frühere Weltstar glimpflich davongekommen ist. Gerade bei Wirtschaftsstrafsachen kennen Londoner Richterinnen kein Pardon.

Seit die Geschworenen zu Monatsbeginn den Angeklagten wegen Insolvenzverschleppung viermal für "schuldig" (und zwanzigmal für "unschuldig") erklärt hatten, muss Becker klar gewesen sein, dass er einige Zeit als Zwangsgast Ihrer Majestät würde verbringen müssen. Bei guter Führung kann er immerhin damit rechnen, lediglich die Hälfte seiner Strafe von zweieinhalb Jahren im Gefängnis verbringen zu müssen, die letzten Monate gewiss im offenen Strafvollzug.

Zum Glück für den 54-Jährigen sind weder Faulheit noch Dummheit Straftatbestände. Sonst hätte Becker mit deutlich längerem Freiheitsentzug rechnen müssen. Die Faulheit hat sogar Verteidiger Jonathan Laidlow seinem Mandanten zur Last gelegt: Dieser sei "zu faul" gewesen, Dokumente zu lesen. Das stelle aber keinen Grund dar, ihm Unehrlichkeit zu unterstellen. Nun ja.

Der Beschuldigte selbst argumentierte im Prozess in der Becker-typischen Mischung aus rauem Charme und weinerlichem Selbstmitleid, ihm habe zur Lektüre seiner Verträge die Geduld gefehlt. "Ich schaute auf die Summe und die Dauer des Dokuments", den Rest habe er seinem Anwalt überlassen. Man sollte solche Dämlichkeiten allen Sekundarschülern als abschreckendes Beispiel zu lesen geben.

Schlicht dumm war auch Beckers Reaktion auf den ursprünglichen Insolvenzentscheid durch ein Londoner Gericht vor fünf Jahren. Anstatt endlich seinen luxuriösen Lebenswandel einzuschränken, jonglierte der Bankrotteur hohe Summen zwischen Geschäfts- und Privatkonten hin und her. Wer glaubt, die Insolvenzbehörde werde solchen Machenschaften nicht auf die Spur kommen, ist entweder extrem weltfremd – kein Vorwurf, den man Becker machen kann – oder von minderem Verstand.

Die Westdeutschen der 1980er-Jahre und Tennisfans in aller Welt haben sich 1985 an Beckers kometenhaftem Aufstieg gefreut, später seine vielen großartigen Leistungen bewundert. Auch die Engländer schlossen den charismatischen Sportler in ihr Herz, boten ihm Zuflucht vor dem allzu zudringlichen Interesse der deutschen Medien, dazu ein einträgliches Zubrot als hochgeachteter Tenniskommentator der BBC. Dass er nun auch ein englisches Gefängnis von innen kennenlernen muss, hat gewiss tragische Züge. Verantwortlich für seine Demütigung aber bleibt der gescheiterte Geschäftsmann ganz allein. (Sebastian Borger, 29.4.2022)