Die in New York ansässige Experimentalmacht Arca spielte sich am DJ-Pult in Rage, nur um sich dann am Klavier mit ihrem Publikum zu versöhnen.


Foto: David Visnjic

Gegen Ende des ruhigen Sets von Soap&Skin gibt es doch noch etwas Action.

Foto: David Visnjic

Sorgte für Momente, die man nicht so schnell vergisst: Arca.

David Visnjic

So wenig Zeit ist wohl noch nie zwischen zwei Donaufestivals vergangen, fand die letzte Ausgabe durch pandemische Verschiebungen bedingt doch erst im Oktober statt – die etwas triste Stimmung ist noch in Erinnerung. Im Vergleich dazu konnte das erste Wochenende des diesjährigen Donaufestivals eigentlich nur gut abschneiden – und tat es auch. Das Publikum kehrte uneingeschränkt nach Krems zurück, und nach einem verhaltenen Freitag herrschte am Samstag dann die Festivalstimmung, die man sich wünscht.

Mc Yallah brachte Hitze.
Foto: David Visnjic / Donaufestival

Soundtechnisch überwogen an den ersten beiden Tagen des Diskurs-, Performance- und Musikfestival 50 Shades des Sphärischen – traurig, bedrohlich, abgeklärt, um nur drei davon zu nennen. So vertonte am Freitag die Violinistin Galya Bisengalieva das Austrocknen des Aralsees und seine Verwandlung in die Wüste Aralkum mit Drones und geloopter Violine.

Dunkle Drones und noch dystopischere Stimmung gab es beim Briten Helm. Auch der Samstag startete in der Minoritenkirche ruhig. Die japanischen Perkussionistin Midori Takada klopfte, strich und sprach in rituellem-minimalem Ernst.

Ich und der Teufel

Etwas hinter den Erwartungen blieben Tirzah und Soap & Skin zurück, die Headlinerinnen des ersten Abends. Die Britin Tirzah, der ihr Hype vorauseilte, zog das Publikum zwar mit Präzision und Coolness in ihren Bann, aber die Möglichkeiten der Intensitätssteigerung, die richtig gemachte Liveauftritte bieten, wurden hier nicht ausgenutzt.

Soap & Skin war mit Streichern und Bläsern gekommen, um unter dem Motto in sheep’s clothing mit dem Liedgut anderer Leute zu spielen. Sie selbst saß am Klavier und gab ihre Versionen von David Bowies Girl Loves Me oder Simon & Garfunkels The Boxer zum Besten. Gegen Ende nahm das Set der kultisch verehrten Österreicherin noch ein bisschen an Fahrt auf, Gods & Monsters von Lana Del Rey sowie Me and The Devil gelangen ihr gut. So richtig wollte der Funke aber nicht überspringen. Auch hier wäre mehr an Verzauberung möglich gewesen.

Keine Ausreißer nach unten

Generell muss man aber sagen, dass weder am Freitag noch am Samstag so richtige Ausreißer nach unten zu beobachten waren, wie es sie in der Geschichte des Donaufestivals öfters gab. Auch Performances wie Ula Sickles The Sadness, bei der endlich auch Autotune-affine Sadboys und -girls auf ihre Kosten kamen, oder die Mitmachperformance des charmanten Master of Strategy Julian Warner, The Kriegsspiel, waren solide. Sie taten, was Performances im besten Fall tun sollen: Themen setzen, über die sich nachdenken und diskutieren lässt.

Sorgte für Momente, die man nicht so schnell vergisst: Arca.
David Visnjic

Ausreißer nach oben gab es mindestens zwei. Am Freitag gewannen die exzellente afrikanische Rapperin MC Yallah und ihr französischer Produzent Debmaster, die vermutlich die wenigsten zuvor kannten, das Publikum sofort für sich. Die vorhergehende Ruhe spielte ihnen in die Karten, ihre Einladung zum Schwitzen und Tanzen wurde dankend angenommen.

Am Samstag war es dann Arca, die endlich das tat, was man von Festivals erhofft: Für Momente sorgen, die man nicht vergisst. Dabei drohte eine der wohl aktuell wichtigste Figuren im weiten Feld des experimentellen Verstörungspop ihr Publikum zuerst zu enttäuschen. Nach einem kurzen Acapella-Anfall verzog sich Arca hinters Pult und spielte ein DJ-Set, das zwar an sich großartig war, aber wahrscheinlich nicht ganz den Erwartungen des Publikums entsprach. 2015 performte Arca ja schon einmal beim Donaufestival, stolzierte auf prothesen-artigen Schuhen durchs Publikum und ließ das DJing Jesse Kanda erledigen. Das war halt ein richtiges Konzert, kein DJ-Set.


Auf Tirzah waren viele gespannt.
Foto: David Visnjic / Donaufestival

Aber Arca wäre nicht Arca, wenn sie nicht für eine Überraschung gut wäre. Als ihr Set sich dem Ende zuneigte, beschloss sie doch noch, zu singen. Sie setzte sich dazu ans Klavier und holte sich aus dem Publikum einen Freiwilligen, der sie begleiten sollte. Zehn improvisierte Minuten später saß der Gastmusiker schon mit entblößtem Oberkörper auf dem Klavier und wurde zärtlich mit einem Gürtel ausgepeitscht. Eine Überraschung für alle. Kommendes Wochenende geht das Donaufestival in seine zweite Runde. (Amira Ben Saoud, 1.5.2022)