Sebastian Schütze übernimmt am 1. Oktober die Leitung der Uni Wien.

Foto: UNIVERSITÄT WIEN/JOHANNES HLOCH

Am Ende war es eine Überraschung: Der Kulturhistoriker Sebastian Schütze steigt von seiner Funktion als Dekan der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät am 1. Oktober zum Rektor der Universität Wien auf, der größten im deutschsprachigen Raum.

Überraschend war die Wahl des Deutschen auch deshalb, weil er es zu Beginn des dreistufigen Verfahrens überhaupt nicht in die engere Auswahl schaffte: Eine für die Wahl eingerichtete Kommission schlug den Rektor der Uni Klagenfurt, Oliver Vitouch, die Dekanin der Fakultät für Psychologie, Barbara Schober, und den Mediziner Matthias Tschöp für die Unileitung vor. Letzterer zog seine Bewerbung zurück, er soll gezweifelt haben, ob ein internationaler Rektor gewünscht sei. Schütze folgte in der Zweitrunde.

Päpstliches Rom als Schwerpunkt

Mit dem 1961 in Düsseldorf geborenen Geisteswissenschafter erhält die Universität Wien nun genau das: einen Rektor mit Auslandserfahrung. Er studierte von 1980 bis 1985 Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Alte Geschichte in Berlin, Rom und Bonn. 1997 habilitierte er an der Freien Uni Berlin mit der Arbeit "Kardinal Maffeo Barberini, später Papst Urban VIII., als Auftraggeber und Mäzen". Es folgten Jobs an den deutschen Unis in Leipzig, Dresden, Münster und im kanadischen Kingston sowie eine Forschungsstelle an der Bibliotheca Hertziana in Rom.

2009 verschlug es Schütze an die Universität Wien, wo er seit vier Jahren Dekan der zweitgrößten Fakultät ist.

Er beherrscht sieben Sprachen, darunter Latein und Altgriechisch. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die italienische Kunst der Frühen Neuzeit, Kunst im päpstlichen Rom sowie Sammlungsgeschichte und Kunstmarktstudien.

Exzellenz und Internationalisierung

Beim Hearing vor dem Unirat soll er mit seiner "Persönlichkeit und Kompetenz im Management" überzeugt haben. In den kommenden vier Jahren wolle er den Weg des scheidenden Rektors Heinz W. Engl in Richtung von Exzellenz und Internationalisierung weitergehen, sagt Schütze dem STANDARD. Das soll sich auch in den Berufungen niederschlagen. Zudem will Schütze die "beiden Identitäten" der Uni fördern und weiter zusammenführen: als renommierter Forschungsstandort und als Großlehrbetrieb mit 90.000 Studierenden. Hier müsse sie einen gesellschaftlichen Beitrag leisten – etwa in der Lehrerausbildung.

Mit Schütze steht seit 1999 erstmals wieder ein Vertreter der Geisteswissenschaften an der Unispitze – für diese Fächer auch eine Chance auf mehr Sichtbarkeit. (Oona Kroisleitner, 1.5.2022)