Alice Schwarzer verteidigt in zwei Interviews den von ihr initiierten offenen Brief.

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Kiew/Moskau/Berlin – Die Feministin Alice Schwarzer hat Kritik an dem offenen Brief zurückgewiesen, mit dem sie und andere Prominente vor einem dritten Weltkrieg infolge der Waffenhilfe für die Ukraine warnen. "Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich ernsthaft von der Gefahr eines neuen Weltkriegs überzeugt", sagte die Publizistin am Sonntagabend in der "Bild"-Talksendung "Die richtigen Fragen".

Zwar sei Hilfe für die Ukrainer bei der Selbstverteidigung richtig, doch gehe es "um die sehr schwierige Grenzziehung zwischen Unterstützung zur Verteidigung und Lieferung von Waffen, die von Herrn Putin als Angriffswaffen verstanden werden können". Schwarzer und andere Prominente wie der Schriftsteller Martin Walser hatten in dem am Freitag veröffentlichten Brief an den deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) appelliert, der Ukraine weder direkt noch indirekt schweren Waffen zu liefern, um dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kein Motiv für eine Ausweitung des Krieges auf die Nato-Staaten zu geben. Vielmehr möge Scholz alles dazu beitragen "dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können". Bis Montagfrüh wurde der Brief von rund 140.000 Personen digital unterzeichnet.

Breite Kritik an Brief

Wenn die russische Führung die Gefahr eines mit Atomwaffen geführten Konflikts als sehr konkret bezeichne, "dann müssen wir das einfach ernst nehmen und sehr genau abwägen", sagte Schwarzer in der Talksendung. Zugleich dürfe man die "bewundernswerten" militärischen Erfolge der Ukraine bei der Verteidigung gegen Putins Truppen nicht überbewerten: "Solche punktuellen Siege sind eines. Die zweite Atommacht der Welt gesamt in die Knie zu zwingen ist etwas anderes."

Ihren Standpunkt verteidigte Schwarzer auch in einem Interview mit dem Nachrichtensender Welt. Dabei sprach sie zweimal von "Ungarn" statt der Ukraine.

Nach der Veröffentlichung des Briefes war rasch Kritik daran laut geworden. So fragte die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann in einem Interview der "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten": "Wo sollen 'Kompromisse' sein, wenn Putin völkerrechtswidrig ein freies europäisches Land überfällt, Städte dem Erdboden gleichgemacht, Zivilisten ermordet werden und Vergewaltigung systematisch als Waffe gegen Frauen eingesetzt wird?" (APA, 2.5.2022)