Eine Collage von Levi Pritz aus dem KünstlerInnenkollektiv "Haus of Rausch".

Foto: Sarah Hauber

Wie beschreibt man in der deutschen Sprache einen Menschen, der sich weder als Mann noch als Frau versteht? "Er", "sie" und das sächliche Pronomen "es" scheiden aus. Die Schweden haben für dieses Dilemma eine Lösung gefunden: Wer ein schwedisches Wörterbuch aufschlägt, findet irgendwo zwischen den Einträgen "han" für "er" und "hon" für "sie" seit 2015 das geschlechtsneutrale Personalpronomen "hen".

Dieses kleine Wörtchen hat die Wiener DJane, Drag-Performerin und Eventmanagerin Susie Flowers für den Titel ihrer Ausstellung im Queer Museum Vienna gewählt. Sie trägt den Titel Honeymoon in Hennyland und ist noch bis 12. Mai zu sehen. "Hennyland ist eine queere Utopie, wo Gender längst vorbei ist", erklärt Flowers. Zu sehen sind sowohl bildende Kunst als auch Perfomances, die aufzeigen wollen, wie die Künstlerinnen und Künstler – teils Bekannte von Flowers, teils zufällig von ihr entdeckt – queere Identitäten in einer heteronormativen Welt leben. "Mir ist wichtig, dass es immer Spaß macht, auch wenn’s Mal ein ernstes Thema ist", sagt Flowers.

Es ist ihr erster Auftrag als Kuratorin. Und ebenso neu ist auch das Museum, in dem die Ausstellung stattfindet. Seit Anfang des Jahres 2022 hat das Queer Museum Vienna im Wiener Volkskundemuseum in der Laudongasse einen temporären Platz gefunden. Davor zog es als hybrides Wandermuseum durch die Stadt. Nun werden zwei Räume im ersten Stock des Standorts in der Josefstadt mit queerer Kunst und Kultur bespielt – bis Mitte Juli, dann wird das Volkskundemuseum saniert, und das Queer Museum wird wieder auf Wanderschaft gehen.

Kuratorin Susie Flowers bei der Eröffnung ihrer Ausstellung.
Foto: Sarah Hauber

Ein Laboratorium

"Wir sehen das tatsächlich so, dass wir uns jetzt in dieser Zeit ein Portfolio aufbauen wollen, auf dem man aufbauen kann", sagt Thomas Trabitsch, einer aus jener kleinen Gruppe von Ehrenamtlichen, die das Queer Museum organisieren. Und für dieses Portfolio legen sie ein ordentliches Programm vor. Sieben Ausstellungen und über 40 Veranstaltungen in sechs Monaten, oft drei Events in einer Woche. Performances, Vermittlungsprogramme für Schüler und Seniorinnen, Künstlerinnengespräche, Afterwork-Club-Abende, Happenings – alles entweder im weitläufigen Garten oder im prunkvollen Ballsaal des Volkskundemuseums.

Gegründet hat sich der Verein Queer Museum Vienna bereits vor zwei Jahren. "Ein Laboratorium, ein Ort, an dem das Thema Queerness verhandelt werden kann", sollte es werden, sagte Mitinitiator Florian Aschka 2020 zum STANDARD. Vorbilder sind unter anderem das Schwule Museum in Berlin oder das Leslie-Lohman Museum of Art in New York.

Wie könnten Vermittlungskonzepte für ein queeres Museum aussehen? Das ist eine der Fragen, mit denen sich das Team des Museums seit zwei Jahren beschäftigt. "Wir wollen keiner von diesen verstaubten Steinpalästen sein, kein klassisches Museum", sagt Thomas Trabitsch, selbst bildender Künstler. Mittlerweile finden regelmäßig Workshops mit Berufsschülerinnen und Berufsschülern statt, bald auch der erste mit Seniorinnen und Senioren. Ihnen versuchen Trabitsch und sein Team queere Lebensrealitäten näher zu bringen. "Es geht darum, Körperlichkeit auszuprobieren. Wie es zum Beispiel ist, wenn ich ein Kleidungsstück anziehe, das ich sonst nie trage", sagt Trabitsch. Dabei könne es durchaus vorkommen, dass man mit ablehnenden Haltungen konfrontiert wird. "Aber damit hat man als queere Person leider mehr als genug Erfahrung. Die meisten von uns sind auf solche Situationen vorbereitet", sagt Trabitsch.

Das Queer Museum Vienna vereint bildende Kunst und Performance, teilweise bei Veranstaltungen, teilweise am Bildschirm zum Nachsehen.
Foto: Sarah Hauber

Ein festes Zuhause

Zwar kein klassisches Museum, aber trotzdem ein fixer Ort – das ist das langfristige Ziel. "Ein Raum vermittelt Wert. Es sollte ein Zuhause sein für die eigentlich ziemlich lebendige queere Szene in Wien und auf jeden Fall eine Bildungseinrichtung", sagt Trabitsch. Dafür arbeitet das Queer Museum auch mit dem QWien, dem Zentrum für queere Geschichte, zusammen. "Es gibt so viele Menschen, die mitmachen wollen. Wir hätten jetzt schon Programm für Jahre", erzählt Trabitsch. In Zusammenarbeit mit QWien könnte sich im Herbst vielleicht auch eine Möglichkeit für einen nächsten Raum ergeben. Das ist aber noch nicht fix. Mit dem aktuellen Programm will sich der Verein jedenfalls unter anderem auch der Stadt Wien beweisen. "Auf lange Sicht braucht es einfach ein Budget und einen Ort. Wir werden das nicht ewig alle ehrenamtlich machen können", sagt Trabitsch.

Am 19. Juni startet auch schon die nächste Ausstellung. Sie trägt den Titel: How does the body shape under pressure? und wird kuratiert von den beiden bereits recht etablierten türkischstämmigen Künstlern Nazim Unal Yilmaz und Alper Turan. Sie bringen eine Gruppe internationaler Künstlerinnen und Künstler zusammen. "In der Ausstellung werden wir Zeuge von Körpern, die aufgehängt, niedergeschlagen, in die Enge getrieben, geschubst und gedrückt werden", heißt es im Vorschautext.

Draußen vor den Türen des Volkskundemuseums ist Hennyland dann nämlich auch wieder vorbei. Dort werden selbst jetzt, im Jahr 2022, noch hin und wieder die Regenbogenfahnen vom Mast gerissen. Gender ist eben auch heute leider immer noch nicht ganz egal. (Johannes Pucher, 3.5.2022)