Wien – Es ist ein Streit, in dem auch Mediatoren an ihre Grenzen stoßen. Als sich Christian Pilnacek und Johann Fuchs auf der einen sowie Staatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf der anderen Seite gegenseitig mit Anzeigen überzogen, holte der damalige Justizminister Josef Moser (ÖVP) Hilfe von außen. Ein professioneller Konfliktschlichter sollte dafür sorgen, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und ihre Vorgesetzten wieder konstruktiv miteinander arbeiten können. Für das Gefüge des Justizbetriebs wäre das essenziell gewesen: Die WKStA berichtet an die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, die von Fuchs geleitet wird. Die untersteht dem Justizministerium und der dortigen Sektion für Strafrecht, deren Chef einst Pilnacek war.
Heimliche Aufnahme
Anklagen, Einstellungen, große Ermittlungsmaßnahmen: All das geht von der WKStA über die OStA in die Sektion und zum Ministerbüro – und dann, womöglich mit Weisungen, wieder zurück. Rund um die Frage, wie man in der Causa Eurofighter weitermachen sollte, eskalierte es am 1. April 2019 zwischen WKStA und Vorgesetzten. Ein Oberstaatsanwalt der WKStA soll die Dienstbesprechung heimlich aufgenommen haben, das Protokoll dazu landete in den Medien. Es folgten gegenseitige Anzeigen (die WKStA vermutete Anstiftung zum Amtsmissbrauch), Ermittlungen gab es mangels Anfangsverdachts keine. Und dann platzte auch noch das Ibiza-Video in die aufgeladene Situation – und damit potenziell eines der größten Ermittlungsverfahren, das die WKStA je leiten sollte.
Drei Jahre später, nach zahlreichen Scharmützeln, ist die Welt eine andere. Pilnacek ist nicht mehr Chef der Sektion für Strafrecht, sondern Leiter der Legistiksektion – und von diesem Posten suspendiert. Fuchs leitet zwar weiterhin die OStA Wien, betreut aber die WKStA nicht mehr mit. Auch er wurde vorläufig suspendiert, der Oberste Gerichtshof (OGH) hob die Maßnahme aber auf. Gegen beide wird beziehungsweise wurde ermittelt, übernommen hat das die Staatsanwaltschaft Innsbruck.
WKStA-Observation angeregt
Gegen Pilnacek wurde bereits rund um die Weitergabe von Informationen an eine "Kurier"-Journalistin prozessiert, er wurde in erster Instanz freigesprochen. Weitere Ermittlungen befassen sich mit der Frage, ob er das Amtsgeheimnis gebrochen hat, es gilt die Unschuldsvermutung. Gegen Fuchs wurde ein Strafantrag wegen der Weiterleitung einer Information an Pilnacek und des Verdachts auf Falschaussage vor dem U-Ausschuss eingebracht.
Die Vorwürfe der WKStA gegen ihre (ehemaligen) Vorgesetzten sind weithin bekannt: Die beiden sollen Korruptionsermittlungen durch ausufernde Berichtsanforderungen gelähmt haben und der WKStA medial schaden haben wollen. Chats zeigten, dass Pilnacek sogar eine Observation von WKStA-Mitarbeitern angeregt hat, um sie des angeblichen Leakens zu überführen.
Ex-Staatsanwältin über "Misstrauen"
Vor zwei Wochen kam im U-Ausschuss jemand zu Wort, der die Angelegenheit diametral anders sieht: die ehemalige WKStA-Mitarbeiterin Linda Poppenwimmer. Sie hatte in den vergangenen Monaten einiges an Aufmerksamkeit erhalten. Zuerst, weil sie medienwirksam von der WKStA zur Kanzlei Ainedter & Ainedter wechselte und in einer Presseaussendung Kritik an ihrem früheren Arbeitsumfeld äußerte; dann, weil Chats erhellten, wie Poppenwimmer monatelang Interna aus der WKStA an OStA-Wien-Chef Fuchs übermittelt hatte.
Sie sei eine Folge der Eurofighter-Dienstbesprechung gewesen und von der StA Wien zur WKStA gewechselt, um das Verfahren mitzubetreuen, sagte Poppenwimmer. Von Beginn an habe sie "sehr viel Misstrauen" gespürt. Eine Kollegin habe ihr berichtet, dass Anruflisten von Diensttelefonen kontrolliert würden. Außerdem sei sie gewarnt worden, dass ein IT-Mitarbeiter, der Zugriff auf E-Mails habe, alles beobachte und berichte.
Peter Pilz und eine Pressekonferenz
Von Beginn ihrer Tätigkeit an habe sich die Stimmung in der WKStA mit dem Motto "Pilnacek muss weg" beschreiben lassen, sagte Poppenwimmer vor dem U-Ausschuss. Sie machte ihren Kollegen schwere Vorwürfe: Einer habe vorab gewusst, was Peter Pilz in einer Pressekonferenz über Pilnacek sagen würde; Behördenleiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda habe zu Poppenwimmer gesagt, es gäbe keine Zerrissenheit in der Justiz, es müsse nur einer weg – nämlich Fuchs.
Zum Vorwurf, dass Poppenwimmer ja selbst für Fuchs in der WKStA "spioniert" habe, meinte sie, sie habe gewisse Auffälligkeiten an ihren Vorgesetzten weitergeben wollen. Die Staatsanwältin vermutete Leaks durch ihre Kollegenschaft, handfeste Beweise dafür fehlen aber nach wie vor. Vrabl-Sanda habe gemäß Poppenwimmer die Vorwürfe vom Tisch gewischt. Die WKStA wollte sich dazu nicht äußern.
Umstrittene Weisung Zadićs
Aufregung gab es am Montag rund um eine Weisung von Justizministerin Alma Zadić (Grüne): Wie der "Kurier" berichtet, hatte der ihr beigestellte Weisungsrat erhebliche Einwände gegen die Anklage gegen Fuchs – kritisiert worden sei demnach etwa die mangelnde Beweiswürdigung. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Mängel beseitigt hatte, erließ Zadić die Weisung, dass der Weisungsrat nicht nochmal zu befassen sei: "Da der Weisungsrat schon einmal gehört wurde, liegt kein Fall der obligatorischen Befassung des Weisungsrats vor", zitiert der "Kurier" aus einem Schreiben.
Einerseits ist das Vorgehen ungewöhnlich und wird als politisch kritisiert. Andererseits gibt es im Fuchs-kritischen Lager Zweifel an der Objektivität des Weisungsrats: Denn Chats zwischen Fuchs und einem Justizmitarbeiter zeigen, dass der Oberstaatsanwalt das Vorgehen in dem Fall mit Ulli Knibbe besprechen wollte – ausgerechnet dem stellvertretenden Vorsitzenden des Weisungsrats. Über Alexander Bauer, den zweiten stellvertretenden Vorsitzenden in dem Gremium, unterhielten sich wiederum Pilnacek und Fuchs in Chats positiv.
Pilnacek und Fuchs geladen
Darum jedenfalls soll es auch am Dienstag gehen: Geladen sind Pilnacek und Fuchs. Beide dürften sich mit Blick auf die laufenden Ermittlungen teilweise entschlagen. Die Befragung von Pilnacek im Sommer 2020 hatte jedenfalls für ordentliche Aufregung gesorgt: Der damals noch aktive Sektionschef hatte SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer das "Mampfen einer Wurstsemmel" während der Befragung unterstellt; seiner Neos-Kollegin Stephanie Krisper "Nuscheln". DER STANDARD berichtet ab 10 Uhr live. (Fabian Schmid, 2.5.2022)