Johannes Steinhart (rechts) soll neuer Wiener Ärztekammerpräsident werden. Dann wäre er ein wichtiger Ansprechpartner für den Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), dem ein gutes Verhältnis zu Thomas Szekeres nachgesagt wird, dem bisherigen Kammerchef.

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Wien – In der Wiener Ärztekammer herrscht Aufregung vor der für Dienstag geplanten Wahl von Johannes Steinhart zum neuen Präsidenten. Grund dafür ist eine Anzeige wegen Wählertäuschung gegen einen Funktionär aus der Koalition, die Steinhart in der konstituierenden Vollversammlung zum Nachfolger von Thomas Szekeres wählen soll.

Stein des Anstoßes ist der niedergelassene Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Stefan Ferenci, der für die Liste "Turnusärzte für Turnusärzte" kandidiert hat, wie der "Kurier" und "Die Presse" am Montag berichteten. Ferenci soll als Teil der Steinhart-Koalition Kurienobmann der angestellten Ärzte und somit Vizepräsident werden. In der Sachverhaltsdarstellung wird ihm nun vorgeworfen, er habe sich rechtswidrig als "Lehrpraktikant" in einer Wiener Ordination anmelden lassen, obwohl er zwei Facharztpraxen betreibe, eine in Wien und eine in Niederösterreich. Die aufgeworfene Frage lautet, wie jemand, der zwei Ordinationen betreibt, die Ärzte in Ausbildung bzw. die angestellten Ärzte vertreten könne.

"Wähler getäuscht"

"Es besteht der dringende Tatverdacht, dass während der Wahl der Ärztekammer für Wien 2022 mehrere Personen im bewussten und gewollten Zusammenwirken vorsätzlich die wahlberechtigten Wähler sowie die Ärztekammer Wien über erhebliche Tatsachen getäuscht haben, die bewirkt haben, dass die Wähler bei ihrer Stimmabgabe über den Inhalt ihrer Erklärung geirrt haben", zitiert "Die Presse" aus der Sachverhaltsdarstellung, die von einem niedergelassenen Arzt stammt, der anonym bleiben will. Der Anzeiger glaubt, dass Ferenci den Schachzug lange geplant habe, um Steinhart zu einer Mehrheit zu verhelfen.

Anschuldigungen zurückgewiesen

In der Wiener Ärztekammer sieht man die Angelegenheit "sehr gelassen", wie es am Montag gegenüber der APA hieß. "Aus unserer Sicht ist alles korrekt gelaufen", verwies man darauf, dass auch die MA 40 als Aufsichtsbehörde die Wahl als korrekt befunden und genehmigt habe. Auch eine Wahlanfechtung liegt bis dato nicht vor. Und auch Ferenci weist die Anschuldigungen in "Kurier" und "Presse" zurück. Ferenci begründet seinen Turnus bei gleichzeitigem Betreiben einer eigenen Praxis damit, dass dies nötig sei, um in Zukunft auch die Eltern seiner jungen Patienten gegebenenfalls behandeln zu können. Auch Steinhart sieht in den Anschuldigungen nur "Gerede".

In einem Folgeartikel der "Presse" heißt es, Ferencis Wahl dürfte rechtlich wasserdicht sein – und dass es in der Vergangenheit immer wieder ähnlich seltsame Konstrukte gegeben habe, um Ärzte auf Listen zu bekommen. In diesem Bericht heißt es aber auch, dass die Anzeige von einem Mitglied der Ärztekammer stamme. Laut "Kurier" handelt es sich um einen niedergelassenen Arzt, der auf der Liste des nun aus dem Amt gedrängten bisherigen Präsidenten Thomas Szekeres kandidiert hat. Er gebe aber an, dass hinter der Anzeige "keine politische Motivation" stehe und er habe sich "nicht mit Szekeres abgestimmt". In der "Presse" hieß es, es bestünden Bedenken, die Stadt Wien würde Ferenci nicht ernst nehmen und habe angekündigt, Verhandlungen mit ihm auf ein Minimum zu beschränken. Dem bisherigen Ärztekammerpräsidenten Thomas Szekeres wird ein vertrauensvolles Verhältnis zu Hacker nachgesagt.

Er will anonym bleiben – aber es handelt sich um einen niedergelassenen Arzt, der auf der Liste des nun aus dem Amt gedrängten bisherigen Präsidenten Thomas Szekeres kandidiert hat, berichtete der "Kurier" (Dienstag-Ausgabe). "Hinter der Anzeige steht keine politische Motivation. Ich habe mich auch nicht mit Szekeres abgestimmt", sagte er zum "Kurier".

Vielleicht geheime Wahl

Dass diese Anzeige und die Berichte darüber ausgerechnet jetzt ihren Weg ans Licht der Öffentlichkeit finden, ist nicht verwunderlich: In der konstituierenden Vollversammlung am Dienstag soll Steinhart zum Nachfolger von Szekeres als Präsident der Wiener Kammer gewählt werden, der dadurch auch sein Amt als Präsident der Österreichischen Ärztekammer verlieren würde. Nur einer der neun Landespräsidenten kann im Juni zum Präsidenten der Bundeskammer gewählt werden. Steinhart hat eine Koalition aus acht Fraktionen geschmiedet, die auf 56 von 90 Mandaten kommt. Ob die Wahl in geheimer Abstimmung erfolgt, ist vorerst noch offen. Eine solche müsste von zumindest drei Mandataren beantragt und dann von einer Mehrheit beschlossen werden. (APA, spri, 2.5.2022)