Eilt! Putin zum Rückzug aus der Ukraine bereit!" Es gibt wohl niemanden in Deutschland – wie auch anderswo auf der Welt –, der über eine solche Meldung nicht jubeln würde.

Doch sie kommt schon seit zwei schrecklich langen Monaten nicht. Und sie wird so schnell nicht zu lesen sein.

Daher werden auch in Deutschland die Nerven immer dünner, die Debatten von Tag zu Tag schriller.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz leitete die Lieferung von Panzern ein.
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Viele kämpfen in diesen Tagen mit einem inneren Konflikt. Einerseits ist und bleibt Deutschland für immer das Land, von dem der Zweite Weltkrieg und unendliches Leid ausgingen. Ein solches sollte sich in keinen Krieg einmischen.

Andererseits stehen demokratisch gewählte Regierungen seit Jahrzehnten an der Seite der Verbündeten. Und wenn diese der Ukraine Waffen liefern, dann will die Mehrheit der Bundesbürger und Bundesbürgerinnen mitmachen. Es hat nichts mit Kriegsgeheul zu tun, sondern mit dem Wunsch, den geschundenen Ukrainern helfen zu können.

Viele in der Politik haben bemerkenswerte Entwicklungen hinter sich. Anton Hofreiter vom linken Flügel der Grünen etwa ist mittlerweile Panzerexperte und drängt Kanzler Olaf Scholz (SPD), mehr – auch schwere Waffen – bereitzustellen. Der ganz große grüne Aufschrei ist bislang ausgeblieben.

Vielmehr scheint man sich an den ersten grünen Außenminister Joschka Fischer zu erinnern. Dem wütenden "Nie wieder Krieg!" seiner Partei schleuderte er ein ebenso lautes "Nie wieder Auschwitz!" entgegen – und überzeugte sie letztendlich vom Nato-Einsatz mit deutscher Beteiligung im Kosovo.

Eine Linie

Die Ampelregierung fand in den vergangenen Wochen schlingernd zu einer Linie. Irgendwann war die Zeit der Ausreden (wahlweise "Wir haben selbst nichts" und "Die Ukrainer können es eh nicht bedienen") vorbei, Scholz leitete die Lieferung von Panzern ein.

Ohne Widerstand geht das natürlich nicht. Als der Kanzler bei der 1.-Mai-Kundgebung der deutschen Sozialdemokraten in Düsseldorf sprach, wurde er laut ausgepfiffen. Es erinnerte an die Jahre nach 2015, als seine Vorgängerin Angela Merkel vor allem im Osten Deutschlands wegen ihrer Asylpolitik bei öffentlichen Auftritten der Zorn traf.

Man hat übrigens auch Scholz noch nie so zurückschreien gehört wie in Düsseldorf. Er wird nun auch von einer Reihe Prominenter rund um die Feministin Alice Schwarzer unter Druck gesetzt. Diese sprechen sich in einem offenen Brief strikt gegen die Lieferung schwerer Waffen aus, damit Deutschland nicht Kriegspartei werde.

Das ist, selbstverständlich, ihr gutes Recht. Doch wenn man liest, dass Putin "sehenden Auges" kein Motiv für einen dritten Weltkrieg geliefert werden dürfe, reibt man sich eben dieses. Wenn Putin den Krieg ausweiten will, dann findet er ohnehin irgendeinen Grund.

Aber immerhin: Es gibt eine rege Debatte. Frieden und Pazifismus wollen die einen, Putin mit Panzern bezwingen die anderen. Scholz muss beiden Seiten klarmachen, wofür er warum einsteht.

Das allerdings bräuchte ein paar mehr Erklärungen als bisher. So wie Merkel zu Beginn der Pandemie hielt Scholz sich am Anfang des Krieges zurück.

Doch gerade jetzt müssen die Deutschen verstehen, was ihr Kanzler will. Besser zu kommunizieren und mehr zu informieren ist in dieser schwierigen Zeit oberste Pflicht eines deutschen Regierungschefs. (Birgit Baumann, 2.5.2022)