Kathleen Taylor hat sich über den Boxolymp hinaus durchgeschlagen.

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Die Zeiten, da Kathleen Taylor unerkannt den Strand ihrer 20 Kilometer südlich von Dublin gelegenen Heimatstadt Bray entlangjoggen konnte, sind vorüber. Freilich ist Katie den Einheimischen schon lange vor den Badegästen aus der Hauptstadt ein Begriff gewesen, lange bevor sie als "Bray Bomber" aus dem County Wicklow zum Stolz Irlands wurde, zur millionenschweren Profiweltmeisterin im Leichtgewichtsboxen, zur Pfund für Pfund Besten ihres Faches.

An die Spitze dieses fiktiven, eigentlich nur aus dem männlichen Boxen bekannten Rankings, das Können im Ring ungeachtet der Gewichtsklassen beurteilt, setzte sich die 1,65 Meter große und 60 Kilogramm schwere Athletin in der Nacht auf Sonntag in einem Kampf durch, der unter dem schlichten Motto "for history" promotet wurde.

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Das Treffen mit der nicht weniger grandiosen Amanda Serrano aus Puerto Rico war in der 140-jährigen Geschichte des Madison Square Garden zu New York der erste Hauptkampf, den Frauen bestritten. Die Arena war ausverkauft, Taylor fügte Serrano nach Punkten die erste Niederlage seit 2012 zu, blieb auch in ihrem 21 Profikampf siegreich.

Die heute 35-Jährige ist erst seit Ende 2016 Berufsboxerin. Als Zwölfjährige folgte sie ihren älteren Brüdern in den St. Fergal’s Boxing Club, wo ihr Vater Peter wirkte, der 1986 irischer Amateurmeister war. Nicht minder prägend war der Einfluss von Mutter Bridget, Irlands erster Ringrichterin.

Das mittlerweile getrennte Ehepaar bearbeitete den irischen Verband so lange, bis er das strikte Ringverbot für Frauen aufhob. In der Halloween-Nacht 2001 bestritten ihre Tochter und Alanna Audley aus Belfast im National Stadium von Dublin den ersten offiziellen Frauenboxkampf Irlands.

Karriere machte nur Taylor, die nebenher Fußball spielte und es bis in die irische Auswahl brachte. 2012 erboxte sie in London olympisches Leichtgewichtsgold. Ihr technisch höchst ausgereifter, rasanter Stil bescherte zudem fünf WM- und sechs EM-Goldmedaillen. Taylor braucht weder monströse Schlagkraft noch Mätzchen, um auch als Profi zu unterhalten. Ihre Mission ist es, das Frauenboxen auf ein neues Level zu bringen.

Promoter Eddie Hearn, der auch Ex-Champion Anthony Joshua unter Vertrag hat, sorgt für Börsen, die im Frauenboxen ihresgleichen suchen. Jeweils rund eine Million Dollar sollen die Kontrahentinnen in New York kassiert haben. Der projektierte Rückkampf verspricht den nächsten Rekord. (Sigi Lützow, 2.5.2022)