Schließlich glanzvoll bei Richard Strauss: Sopran Camilla Nylund.

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Wien – So wie die Wiener Staatsoper im ersten Corona-Jahr – in Phasen der Lockdowns – zahlreiche Phantompremieren "durchzog" (also ohne Publikum), so retteten auch die Philharmoniker Teile ihres Konzertlebens und des Bruckner-Projekts mit Dirigent Christian Thielemann (erscheint bei Sony) durch dokumentierte Aufführungen im praktisch leeren Saal.

Wer hin und wieder – beruflich durfte man ja – dabei war, konnte eine Atmosphäre erleben, welche im Goldenen Saal die seltsame Weltstimmung irgendwie stimmig zu verdichten schien. Dennoch: Die nunmehrige Rückkehr zur Fastnormalität eines vollen, teilweise freiwillig maskierten Saals ist weitaus sympathischer. Auch Sopranistin Camilla Nylund wird es so empfunden haben – man wollte sie gar nicht gehen lassen.

Elegischer Gehalt

Es dauerte zwar ein bisschen, bis die Balance zwischen ihrer Stimme und dem Orchester begann, alle vokalen Details zuzulassen. Nach Richard Strauss’ Lied Malven fand die Finnin im Rahmen der Vier letzten Lieder schließlich bei Im Abendrot und Beim Schlafengehen zu ungestörter Souveränität. Es vermittelte sich, von Thielemann getragen, in allen Lagen diese Mischung aus Klarheit und elegischem Gehalt der "endlosen" Töne, die mit dem Orchesterklang verschmolzen, ohne in ihm unterzugehen.

Pures Vergnügen dann bei der Sechsten von Bruckner . Dieses Pendeln zwischen Bläserwucht und Streicherzierlichkeit, diese Richtungswechsel und Brüche: All die Eigenheiten dieses Stils fanden sich eingebunden in eine logisch wirkende Dramaturgie.

Der in jedweder Schattierung prachtvolle Klang war selbst eine Form von Intensität, die dem Werk trotz der plötzlichen Wendungen und Momente des Innehaltens Innenspannung und Kontur verlieh. Dennoch wichtig: Man ließ auch den Eindruck zu, dass die Ideen in der Sechsten quasi aus dem rätselhaften Nichts kämen. (Ljubisa Tosic, 3.5.2022)