Eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen zog am Samstag, dem 15. Jänner 2022, über den Ring. Seit Jahresbeginn gab es bereits 17 Ringsperren und insgesamt 55 Demonstrationen, zählte die Wiener Wirtschaftskammer auf.

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Seit Jahren kämpft die Wiener ÖVP darum, Demonstrationen aus der Wiener Innenstadt zu bekommen. Im Jahr 2016 forderte die Partei etwa im Verbund mit der Wirtschaftskammer Wien (WKW) und der Freiheitlichen Wirtschaft bestimmte Demo-Zonen. Auch eine Petition für ein gänzliches Demo-Verbot in der City wurde damals von der ÖVP unterstützt.

Nun wagt die türkise Stadtpartei einen neuen Vorstoß – und beruft sich dabei auf eine aktuelle Analyse der Wirtschaftskammer Wien. Dieser zufolge kam es allein am Ring im Vorjahr zu insgesamt 71 Ringsperren – "meist am Wochenende, wo in der Regel neben vielen Touristen auch Menschen unterwegs sind, die flanieren und einkaufen", wie es in einer Aussendung der WKW heißt. Seit Jahresbeginn 2022 waren es 17 Ringsperren und insgesamt 55 Demonstrationen.

Margarete Gumprecht, Handelsobfrau in der WKW, verweist darauf, dass jeder "sein Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben können" müsse. Problematisch werde es aber dann, "wenn die Protestzüge immer dieselben Straßen lahmlegen und immer dieselben Geschäfte betriebswirtschaftlich belasten". Die Spartenobfrau forderte eine "Neuregelung der Demo-Routen" sowie "eine bessere Verteilung der Demonstrationen auf das gesamte Stadtgebiet".

Der designierte ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer begrüßte die heikle Forderung im Spannungsfeld zwischen Versammlungs- und Erwerbsfreiheit: Es gelte in puncto Demonstrationen, "deren Fokus von der Innenstadt wegzulenken". Vor allem die Corona-Demos würden Wienerinnen und Wiener, die in den Innengürtelbezirken leben oder arbeiten, seit zwei Jahren in ihrer Freiheit und in ihren Rechten einschränken und hätten "Schäden in Millionenhöhe" verursacht.

23 Millionen Euro Umsatzentgang durch Innenstadt-Demos

Aktuelle Berechnungen der Wirtschaftskammer Wien ergaben jedenfalls, dass im Vorjahr den Händlern allein durch Demonstrationen und Kundgebungen rund 23 Millionen Euro Umsatz entgingen. Mehr als 300 Arbeitsplätze seien laut der Kammer "weggefallen bzw. nicht geschaffen worden". Die Conclusio der Kammer: Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird durch die vielen Demos in der City "großzügig interpretiert", die Erwerbsfreiheit leide aber massiv darunter. ÖVP-Landesparteiobmann Mahrer ortete "dringenden Handlungsbedarf".

Unklarheit über mögliche rechtliche Schritte

Auf Basis der Wirtschaftskammer-Analyse werden nun "weitere rechtliche Schritte geprüft", hieß es zudem in einer Aussendung der Wiener ÖVP. Nur: Wer diese rechtlichen Schritte prüfe, darüber gab es am Dienstag Unklarheit. Ein Sprecher der Türkisen verwies auf STANDARD-Anfrage auf die Wirtschaftskammer Wien. Dort hieß es aber: "Wir prüfen keine rechtlichen Schritte."

Mitte Februar 2022 fand anlässlich der vielen Corona-Demos auf Betreiben der Wiener ÖVP auch ein runder Tisch zu einem möglichen partiellen Demo-Verbot statt. Damals forderte Mahrer, dass die Polizei Demonstrationen genauer prüfen müsse, bevor sie diese genehmigt. Die Landespolizei Wien verwies hingegen darauf, bereits genau zu prüfen: So habe man am letzten Einkaufswochenende vor Weihnachten 2021 Corona-Demos auch untersagt.

Damals waren am Samstag und Sonntag, als die Geschäfte ebenfalls ausnahmsweise öffnen durften, größere Demos erst ab 18 Uhr erlaubt worden. Es kam dennoch zu Ausschreitungen und zu Zusammenstößen mit der Polizei, als Demonstrantinnen und Demonstranten bereits am Nachmittag unangemeldet durch die Innenstadt zogen. (David Krutzler, 3.5.2022)