Warum Vitamin D wichtig ist, woher der Körper es bekommt und was bei einem Mangel zu tun ist, darüber schreibt die Genetikerin Alexandra Schebesta im Gastblog.

Als Vitamine werden organische Verbindungen bezeichnet, die keine Energieträger darstellen, die der Körper aber für lebenswichtige Funktionen benötigt. Sie müssen in kleinen Mengen aufgenommen werden und sind an fast allen Stoffwechselprozessen im Körper beteiligt. Vitamine dienen unter anderem dem Schutz von Zellen, sie stärken das Immunsystem, bauen Zellen, Knochen und Zähne auf und sind wichtig für die Blutbildung. Auch die geistige Leitungsfähigkeit wird durch Vitamine unterstützt.

Es sind heute insgesamt dreizehn Vitamine bekannt, die für den Menschen lebensnotwendig sind. Diese können aufgrund ihrer Löslichkeit in Wasser in zwei Gruppen unterteilt werden: Es werden die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K von den wasserlöslichen Vitaminen C, B1, B2, B6, B12, Niacin, Pantothensäure, Biotin und Folsäure unterschieden. Sie können im Körper unterschiedlich gespeichert werden¹.

Vitamin D wird vom Körper selbst hergestellt

Elf der dreizehn Vitamine zählen zu den so genannten essenziellen Stoffen. Das bedeutet, sie müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, da sie der Stoffwechsel nicht bedarfsdeckend synthetisieren kann. Vitamin D und Niacin (Vitamin B3) stellen hier eine Ausnahme dar: Vitamin D kann als einziges Vitamin vom Körper durch direkte Sonneneinstrahlung selbst hergestellt werden, man spricht von endogener Synthese. Auch Niacin kann der Mensch selbst produzieren, als Basis wird dafür allerdings die Aminosäure Tryptophan benötigt. Da der Körper Tryptophan in Form von Protein aufnehmen muss, wird die Eigensynthese von Niacin von den Ernährungsgewohnheiten beeinflusst.

Sommer, Sonne, Sonnenschein: Vitamin D entsteht im Körper durch das Einwirken von UV-B-Strahlung.
Foto: imago images/Jochen Tack

Bildung von Vitamin D benötigt Sonne

Im Durchschnitt bildet der Körper rund 80 bis 90 Prozent des benötigten Vitamin D selbst, den Rest bekommt er über die Nahrung zugeführt. Körpereigenes Vitamin D wird in mehreren Zwischenschritten durch direkte Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet: Ausgangssubstanz für die Vitamin-D-Produktion ist ein in der Haut vorliegender Vorläufer, das Provitamin 7-Dehydrocholesterol. In den obersten Hautschichten wird aus diesem durch das Einwirken der UV-B-Sonnenstrahlung zunächst das Prävitamin D3 (Cholecalciferol) gebildet. Aus diesem entsteht in weiterer Folge Vitamin D3, welches ins Blut gelangt und zur Leber transportiert wird. In der Leber wird Vitamin D3 zu Calcidiol weiterverarbeitet. Calcidiol stellt eine Speicherform von Vitamin D und einen Vorläufer der aktiven Form dieses Vitamins dar. Im Blutkreislauf ist Calcidiol die vorherrschende zirkulierende Form von Vitamin D im Körper und wird auch zur Bestimmung des Vitamin-D-Wertes im Blut herangezogen. Bei Bedarf wird Calcidiol von Zellen oder in der Niere in Calcitriol, die aktive Form von Vitamin D, umgewandelt.

Speichern vom "Sonnenvitamin" im Sommer

Sommer, Sonne, Sonnenschein: Vitamin D entsteht im Körper durch das Einwirken von UV-B-Strahlung. In unseren Breiten ist das von März bis Oktober möglich. Vor allem im Sommer können in kurzer Zeit größere Mengen an Vitamin D gebildet werden. Bei ausreichendem Aufenthalt an der Sonne kann dann nicht nur der akute Bedarf gedeckt werden, es werden auch Vitamin-D-Reserven im Fett- und Muskelgewebe für das Winterhalbjahr angelegt. Im Winter, wenn die UV-B-Strahlungsintensität dann deutlich geringer ist, kann der Körper auf diesen Speicher zurückgreifen – so lautet zumindest die Theorie.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich unsere Lebensweise allerdings stark verändert: Wir verbringen viel Zeit in geschlossenen Räumen wie Schule oder Büro und weniger Zeit draußen. Den Aufenthalt in der Sonne, der für das Auffüllen des Vitamin-D-Speichers für den Winter wichtig wäre, schaffen viele nicht mehr.

Vitamin-D-Mangel weit verbreitet

Um genügend Vitamin D zu produzieren, sollte man Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz mehrmals pro Woche für etwa fünf bis zwanzig Minuten der Sonne aussetzen. Die Empfehlungen für die Häufigkeit des Sonnenanbetens gehen auseinander und unterscheiden sich von zwei-bis dreimal bis zu fünfmal pro Woche² ³ ⁴. Die Dauer der Sonnenexposition ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich und sollte die Hälfte der Zeit betragen, in der man ungeschützt einen Sonnenbrand bekommen würde². Die exakte Zeit hängt von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise dem Hauttyp der Person ab. So etwa reichen bei hellhäutigen Menschen schon fünf bis zehn Minuten Sonnenlicht auf einem Viertel der unbedeckten Körperoberfläche aus, um genügend Vitamin D zu bilden, dunklere Hauttypen benötigen mehr Sonne³. Auch die Tageszeit hat Einfluss auf die Zeit der Sonneneinwirkung: Morgens und abends, wenn die Sonne tiefer steht, sollte diese Zeitspanne länger sein als mittags.

Da in der warmen Jahreszeit oft nicht genügend Vitamin D angelegt wird, mangelt es vielen Menschen in der kalten Jahreszeit dann am Sonnenvitamin: Über die Wintermonate sind fast zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher aus allen Bevölkerungsgruppen mit Vitamin D unterversorgt⁴. Weltweit leidet gar etwa die Hälfte der Bevölkerung an Vitamin-D-Mangel⁵.

Übrigens: Die UV-B-Anteile vom Sonnenlicht werden von Fensterglas nahezu vollständig absorbiert, und Sonnencreme behindert die Vitamin-D3-Produktion. Da bei einem Solarienbesuch die Haut meist mit UV-A- und nicht mit UV-B-Licht bestrahlt wird, ist dieser hier in der Regel auch nicht förderlich und erhöht zudem noch das Hautkrebsrisiko².

Folgen von Unterversorgung mit Vitamin D

Vitamin D ist in unserem Körper für die Aufnahme von Kalzium und Phosphor zuständig. Diese Mineralstoffe werden für gesunde Knochen, Muskeln und Zähne benötigt. Vitamin D stärkt außerdem das Immunsystem und verringert die Infektanfälligkeit. Auch für einen intakten Hormonhaushalt ist Vitamin D wichtig, und ein Zusammenhang zwischen einer Unterversorgung mit Vitamin D und Depressionen wird vermute² ³ ⁴ ⁵ ⁶. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D auch Diabetes vorbeugen kann⁷.

Ein Vitamin-D-Mangel kann vielfältige gesundheitliche Folgen haben und wird auf den ersten Blick oft gar nicht als solcher erkannt. Eine Unterversorgung mit dem früher auch als Knochenvitamin bekannten Vitamin D kann zu Knochenerweichungen oder einer Verminderung der Knochenmasse – so genannter Osteoporose – führen. Aber auch die Muskeln können betroffen sein. Vor allem bei älteren Menschen erhöht sich durch fehlendes Vitamin D das Risiko für Stürze, Knochenbrüche, Kraftverlust, Mobilitäts- und Gleichgewichtseinbußen.

Risikogruppen für Vitamin-D-Mangel

Neben älteren immobilen Menschen besteht auch für Heimbewohner und Heimbewohnerinnen sowie Büroarbeiter und Büroarbeiterinnen die Gefahr, mit Vitamin D unterversorgt zu sein. Auch Personen mit dunklem Hauttyp und traditionell verschleierte Menschen haben ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel.

Die Jüngsten zählen ebenfalls zur Risikogruppe: Denn auch Säuglinge und Kleinkinder sollten genug vom Sonnenvitamin abbekommen, dürfen jedoch der Sonne nicht direkt ausgesetzt werden. Bei ihnen kann es daher zu Vitamin-D-Mangel und somit unzureichender Mineralisierung der Knochen kommen. Eine weitere Folge davon kann eine als Rachitis bekannte Skelettdeformation sein² ⁴. Vorbeugend erhalten Säuglinge hierzulande daher Vitamin-D-Präparate.

Ein hohes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel besteht außerdem bei Menschen mit chronischen Erkrankungen der Leber, der Niere und des Magen-Darm-Traktes. Auch Schwangere und Stillende, Immunschwache und Übergewichtige sowie Personen mit dunkler Hautpigmentierung sollten besonders auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D achten² ⁴ ⁷.

Deckung des Bedarfs durch Ernährung nicht möglich

Der genaue Bedarf an Vitamin D ist nicht bekannt, es gibt jedoch Schätzwerte, auf denen auch die wissenschaftlichen Empfehlungen beruhen. Diese unterscheiden sich allerdings regional. In Österreich, Deutschland und der Schweiz wird Kindern ab einem Jahr, Jugendlichen ab 15 Jahren, Erwachsenen sowie Schwangeren und Stillenden bei fehlender körpereigener Bildung eine Tagesdosis von 20 Mikrogramm Vitamin D empfohlen. Die Zufuhrempfehlungen werden häufig auch in internationalen Einheiten (IE) angegeben, wobei ein Mikrogramm 40 IE und somit 20 Mikrogramm 800 IE entsprechen. Säuglinge sollten kontinuierlich zehn Mikrogramm Vitamin D pro Tag erhalten, da sie in der Regel nicht direkt der Sonne ausgesetzt werden⁶.

Vitamin D ist in der Nahrung kaum enthalten, daher trägt diese auch nur mit einem geschätzten Anteil von etwa zehn bis 20 Prozent zur Vitamin-D-Versorgung bei⁷. Bei Personen, die sich nur wenig im Freien aufhalten, kann der Vitamin-D-Bedarf daher übers Essen nicht gedeckt werden. Jugendliche und Erwachsene nehmen über die Ernährung im Durchschnitt nur rund zwei bis vier Mikrogramm Vitamin D pro Tag auf, also deutlich zu wenig⁶. Selbst Vitamin D-reiche Lebensmittel wie fetter Fisch, Eier, Steinpilze oder Innereien können nicht in so großen Mengen konsumiert werden, um hier eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten. Auch durch den Verzehr von Lebensmitteln, die mit Vitamin D angereichert wurden - wie beispielsweise Margarine - kann dem Körper nicht genügend Vitamin D zu geführt werden.

Vitamin-D-Präparate

Ist eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D nicht gewährleistet, ist es sinnvoll, auf Vitamin-D-Präparate zurückzugreifen. Bei bestimmten Risikogruppen kann die Gabe von Vitamin D in Form von Nahrungsmittelergänzungsmitteln auch prophylaktisch erfolgen. Da eine Überdosierung von Vitamin D allerdings auch schwerwiegende Folgen haben kann, ist hier Vorsicht geboten⁸: Einen gesundheitlich relevanten Vitamin D-Mangel können nur Arzt oder Ärztin diagnostizieren und dann auch die passenden Ergänzungsmittel verschreiben. (Alexandra Schebesta, 6.5.2022)

Alexandra Schebesta ist promovierte Genetikerin und seit mehreren Jahren in der Wissenschaftskommunikation tätig. Als Projektleiterin bei Open Science betreut sie Projekte mit unterschiedlichsten Zielgruppen. Sie ist eine der Bloggerinnen, die als "bESSERwisser" die Beiträge für den Hungry-for-Science-Blog von Open Science verfassen.

Mehr Beiträge finden Sie auf hungryforscience.at.

Referenzen:

¹  Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Vitamine und Mineralstoffe.

² Bundesamt für Strahlenschutz: Bildung des körpereigenen Vitamin D

³ Deutsches Grünes Kreuz: Vitamin D: Sonne tanken für die Gesundheit.

⁴ Mein Med.at: Vitamin D-Mangel

⁵ Nair R., Maseeh A: Vitamin D: The "sunshine" vitamin. J Pharmacol Pharmacother. 2012;3(2):118-126. doi:10.4103/0976-500X.95506

⁶ Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Vitamin D

⁷ Mitri J., Muraru M., Pittas A.: Vitamin D and type 2 diabetes: a systematic review (2011). Eur J Clin Nutr 65, 1005–1015 (2011). https://doi.org/10.1038/ejcn.2011.118

⁸ Robert Koch Institut: Antworten des Robert Koch-Instituts auf häufig gestellte Fragen zu Vitamin D.

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