Laut einer Studie könnte eine pflanzenbasierte Ernährungsweise rund 80 Prozent der Umweltauswirkungen verhindern.

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Wer heutzutage das Fleischregal im Supermarkt passiert, findet dort längst mehr als Kalbsschnitzel, Spareribs oder Hühnerfilet: Würstel, Burger und vieles mehr gibt es inzwischen auch in der pflanzlichen Variante. Während der Fleischkonsum in vielen Industrieländern, darunter auch Österreich, stagniert oder sogar sinkt, machen Ersatzprodukte dem klassischen Fleisch aus Tieren immer mehr Regalfläche – und Marktanteile – streitig.

Im vergangenen Jahr wurde weltweit 7,8 Milliarden Euro mit pflanzlichem Fleisch umgesetzt, bis 2026 soll sich der Absatz noch einmal verdoppeln. Auch der Markt für Milchersatz boomt. Was derzeit in den Regalen steht, ist nichts anderes als ein möglichst genauer Nachbau des tierischen Originals aus pflanzlichen Materialien. Bei "Laborfleisch" oder "Labormilch", die in Zellkulturen gezüchtet werden und dem Original in nichts mehr nachstehen sollen, gibt es zwar Fortschritte. Der große Durchbruch lässt allerdings noch auf sich warten.

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Viele Menschen verzichten aus ethischen Gründen auf Essen, das von Tieren kommt. Doch wie sieht es eigentlich mit dem Klimafußabdruck der Ersatzprodukte aus? Kritiker sehen in ihnen nicht weniger als hochverarbeitetes Junkfood mit vielen künstlichen Zusätzen und problematischen Ausgangsmaterialien wie Soja oder Mandeln. Eine Gruppe aus finnischen Forschenden hat nun berechnet, wie klima- und umweltfreundlich die Imitate wirklich sind.

Fakt ist: Unsere derzeitige Ernährungsweise ist alles andere als gut für das Klima. Mehr als ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen gehen aufs Konto der Lebensmittelproduktion. Ein Großteil davon wiederum geht auf die Viehzucht zurück, obwohl diese nur ein Drittel der verspeisten Proteine liefert. Oft bedroht die intensive Landwirtschaft außerdem die Lebensräume von Wildtieren und Pflanzen und benötigt große Mengen an Wasser, die auch aufgrund des Klimawandels immer knapper werden.

80 Prozent weniger Schäden

Das finnische Forschungsteam hat drei Alternativen zum derzeitigen Speiseplan untersucht: eine rein vegane Ernährungsweise ohne die neuartigen Ersatzprodukte, eine pflanzliche, die auch die sogenannten "novel and future foods" beinhaltet, und eine angepasste omnivore Ernährungsweise, die auch hin und wieder Milchprodukte und Eier beinhaltet.

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Steht noch ganz am Anfang: Kultiviertes Fleisch aus dem Labor.
Foto: Reuters/AMIR COHEN

Gemein ist den drei alternativen Speiseplänen, dass mehr Hülsenfrüchte, Nüsse und Gemüse, dafür weniger stärkehaltige Wurzeln wie Erdäpfel auf den Tellern landen. Bei der Option mit neuartigen Lebensmitteln gehören auch Insekten zum Speiseplan.

Im Modell konnten alle drei Ernährungsformen die negativen Umweltfolgen um etwa 80 Prozent verringern – und zwar gleichermaßen in Bezug auf Klimaerwärmung, Flächen- und Wasserverbrauch. Ob man auf die veganen Fleischbällchen, Würstel und Schnitzel verzichtet oder nicht, macht demnach nur einen vernachlässigbaren Unterschied in der Umweltbilanz aus.

Kaum abschätzen lässt sich allerdings, wie im Labor gezüchtete Lebensmittel in der Klimabilanz abschneiden. "Ein wesentlicher Faktor ist hierbei der Energieverbrauch", sagt Florian Humpenöder vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Denn statt Tiere zu füttern, die dann Milch und Fleisch liefern, werde in der sogenannten "zellulären Landwirtschaft" mehr Energie benötigt, etwa um Bioreaktoren zu heizen.

Wie klimafreundlich Laborfleisch und -milch in der Massenproduktion sein werden, ist am Ende – wie fast alles im Klimaschutz – vor allem eine Energiefrage: Je mehr Strom aus Solar- und Windkraft in die Fleisch- und Milchlabore der Zukunft strömt, desto nachhaltiger ist auch das Endprodukt.

Für Franziska Gaupp, Direktorin der Food Systems Economics Commission am Osloer Eat Forum, sind die drei Szenarien, welche die finnischen Forschenden zeichnen, aber vor allem theoretisch. Ein totaler Verzicht auf tierische Lebensmittel sei allein schon wegen des kulturellen Aspekts von Fleischkonsum eher unrealistisch. Den Gedanken an ein Steak aus der Petrischale dürften viele wohl noch abstoßend finden, auch die Vorbehalte gegen den Verzehr von Insekten sind in Europa groß.

Auch der Gesundheit würden weniger Fleisch und Milch grundsätzlich guttun. Am Ende hängt jedoch viel an der Zubereitung: Viele vegetarische Burger, die derzeit am Markt sind, hätten beispielsweise einen zu hohen Salzgehalt, gibt Gaupp zu bedenken. (Philip Pramer, 4.5.2022)