Wie viel Geld der Rekrut letztlich bekommt, ist nach wie vor unklar.

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Es waren dramatische Szenen, die sich im Sommer 2019 bei einem Grenzeinsatz des Bundesheeres in Bad Radkersburg abspielten. Ein damals 27-jähriger Korporal der Miliz schoss einem 20-jährigen Grundwehrdiener unabsichtlich in den Unterleib und verletzte ihn dabei schwer.

Als der Rekrut daraufhin Schmerzengeld verlangte, wollte die Republik allerdings nicht zahlen. Erst drei Jahre nach dem Vorfall hat der Oberste Gerichtshof dem jungen Mann nun recht gegeben. Über die Höhe des Schadenersatzes wird weiter prozessiert (OGH 23. 3. 2022, 1 Ob 25/22s).

Kein Ersatz bei Fahrlässigkeit?

Der Milizsoldat, aus dessen Waffe sich der Schuss löste, war bereits kurz nach dem Vorfall angeklagt und wegen grob fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden. Eine Klage auf Schadenersatz gegen ihn ging allerdings ins Leere. Der verletzte Rekrut verlangte daher Ersatz von seinem Arbeitgeber – dem Staat.

Die Finanzprokuratur, die die Republik vor Gericht vertritt, lehnte jedoch ab. Sie stützte sich dabei auf das sogenannte Haftungsprivileg im Sozialversicherungsgesetz, in das Grundwehrdiener 2016 formal einbezogen wurden. Demnach haftet der Arbeitgeber nur dann, wenn ein Schaden vorsätzlich verursacht wurde. Der Schuss löste sich aber zweifellos fahrlässig, was vor Gericht auch unstrittig war.

Republik scheiterte in allen Instanzen

Schon das Landesgericht Graz und das Oberlandesgericht Graz wiesen die Argumentation der Finanzprokurator allerdings zurück. Und auch der Oberste Gerichtshof hat diese Entscheidung nun vollinhaltlich bestätigt.

Das Bundesheer könne sich nicht auf das Haftungsprivileg stützen, weil Präsenzdiener per Definition keine Dienstnehmer seien, heißt es in der Entscheidung. Schließlich leisten Grundwehrdiener ihren Dienst nicht freiwillig. Der Bund hafte deshalb für Schäden und Verletzungen während der Arbeit. Dass Präsenzdiener vor einigen Jahren in das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz einbezogen wurden, ändere daran nichts.

Mühsamer Weg

Anwalt Lorenz Kirschner ärgert sich im Gespräch mit dem STANDARD über die Vorgangsweise des Bundesheeres und der Finanzprokuratur. Nach dem Unfall habe das Bundesheer sofort Unterstützung zugesagt. Als es darauf ankam, wollte die Republik aber nicht bezahlen. Abgesehen von einer laufenden Versehrtenrente sah der Soldat, der beim Unfall bleibende Schäden erlitten hatte, jahrelang kein Geld vom Staat.

Zumindest für die nächsten Monate dürfte das auch so bleiben: Laut den Gerichten besteht der Anspruch des Soldaten zwar zu Recht, über die genaue Höhe muss allerdings erst entschieden werden. Geklagt hat Anwalt Kirschner auf 22.000 Euro Schmerzengeld und die Feststellung, dass der Bund auch für mögliche Spätfolgen haftet. Wie viel sein Mandant letztlich bekommt, ist fast drei Jahre nach dem Vorfall nach wie vor offen. (Jakob Pflügl, 5.5.2022)