Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft prüft derzeit, ob eine "Sonderzuständigkeit" in der Causa Wirtschaftsbund vorliegt. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch hatte die Spezialbehörde hinzugezogen. Möglich wäre das beispielsweise bei Korruptionsdelikten.

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Bregenz – Es wären die Schlagzeilen, die der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) derzeit eigentlich machen will: Bei einer Pressekonferenz am Dienstag ging es um die Wettbewerbsfähigkeit der Region, und die kann sich laut einer dort vorgestellten Studie sehen lassen.

Doch Wallner und seine Vorarlberger Volkspartei stecken nach wie vor in ihrer schwersten Krise seit Jahrzehnten. Auslöser dafür war eine Betriebsprüfung beim Wirtschaftsbund, einer ÖVP-Teilorganisation.

Anzeigen als Automatismus

Die Prüfung läuft zwar noch, dennoch wurden bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch bereits Anzeigen eingebracht. Der Verein soll einerseits Inseratenerlöse nicht versteuert haben, andererseits auch für Zuwendungen an die ÖVP keine Abgaben gezahlt haben. Es könnte um bis zu 1,3 Millionen Euro gehen.

Übersteigt die Steuerschuld 100.000 Euro, ist automatisch das Amt für Betrugsbekämpfung am Zug. Dieses informiert dann die Staatsanwaltschaft. Nicht mehr und nicht weniger sei passiert, sagt der interimistische Obmann des Wirtschaftsbunds, Karlheinz Rüdisser. Derzeit seien nach wie vor Fragen der steuerrechtlichen Bewertung offen, deswegen sei die Betriebsprüfung noch nicht abgeschlossen, sagt der ehemalige ÖVP-Landesrat.

Sonderfall Korruption

Die Betriebsprüfung brachte allerdings auch Praktiken ans Licht, die Fragen nach Korruption bzw. Betrug oder Geldwäsche aufkommen lassen – auch abseits des Wirtschaftsbunds. So meldete sich in den Vorarlberger Nachrichten ein Manager mit direkten Korruptionsvorwürfen an Landeshauptmann Wallner, dieser bezeichnet diese als "glatte Lüge". Wenige Tage später tauchte ein alter Brief mit Vorwürfen gegen den Landesgeschäftsführer der Volkspartei auf.

Korruptionsverdacht könnte ein Grund dafür sein, dass die Feldkircher relativ rasch eine Teilabtretung an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgenommen haben.

Eine sogenannte Sonderzuständigkeit der WKStA kann vorliegen, wenn der Schaden bei Wirtschaftsdelikten über fünf Millionen Euro liegt, oder auch bei Korruptionsdelikten. Die Sonderzuständigkeit wäre aber auch dann gegeben, wenn "besonderes öffentliches Interesse an der Aufklärung" besteht, wie es in der Strafprozessordnung dazu heißt. "In der Regel geht es hier um Personen, die der breiten Öffentlichkeit bekannt sind", erläutert eine Sprecherin der Behörde. Ob die Sonderzuständigkeit von der WKStA anerkannt wird, werde nach wie vor geprüft. Der Sprecherin zufolge kann das noch einige Tage in Anspruch nehmen.

Wer angezeigt worden sein könnte

Damit ist nach wie vor unklar, welche Personen von den Anzeigen betroffen sind. Fix ist nur: Bei der WKStA geht es um drei, in Feldkirch um mehrere Personen, darunter auch der Wirtschaftsbund selbst. Die Selbstanzeige, die der Wirtschaftsbund zu Beginn der Prüfung abgegeben hat, umfasste jedenfalls die beiden ehemaligen Direktoren Walter Natter und Jürgen Kessler, den ehemaligen Obmann Hans-Peter Metzler, den aktuellen Finanzreferenten Jürgen Rauch und dessen Vorgänger und Vater Franz Rauch sowie den Steuerprüfer des Wirtschaftsbunds.

Rüdisser zufolge hat bis jetzt keine Einvernahme und auch kein Treffen mit Vertretern der Feldkircher Staatsanwaltschaft stattgefunden. Er kenne den Akt nicht, habe mittlerweile aber um Akteneinsicht gebeten. "Ich werde jedenfalls die bestmögliche Koordination mit den Behörden suchen", sagt der Mann, der als interimistischer Krisenmanager zum Wirtschaftsbund gekommen ist.

Was Wirtschaftsprüfer untersuchen sollen

Wenn die Betriebsprüfung abgeschlossen ist, will Rüdisser gleich die nächsten Prüfer ins Haus holen. Wirtschaftsprüfer sollen sich dann nicht nur die Jahresbilanzen von 2016 bis 2020 anschauen, sondern auch die widmungsgemäße und zweckmäßige Verwendung der Mittel in der Organisation prüfen – also Fragen, die über eine steuerrechtliche Bewertung hinausgehen. Etwa auch, ob das interne Kontrollsystem den heutigen Standards entspreche. Zudem wünscht sich Rüdisser von dieser Prüfung, die ein Unternehmen vornehmen soll, das keinen Sitz in und möglichst wenige Verbindungen nach Vorarlberg hat, Empfehlungen für die Zukunft.

Kesslers Zukunft wird verhandelt

An einer Lösung für die Zukunft werde derzeit auch mit dem ehemaligen Direktor Kessler gearbeitet – und zwar was sein Dienstverhältnis beim Wirtschaftsbund betrifft. Dieses ist ja – wie berichtet – nach wie vor aufrecht. Kessler ist Anfang April zwar als Geschäftsführer zurückgetreten, wurde seither aber nicht entlassen. Der nächste Zeitpunkt für eine Kündigung wäre laut Dienstvertrag der 30. Juni – ab dann gilt noch eine sechsmonatige Kündigungsfrist. Rüdisser sagt im Gespräch mit dem STANDARD allerdings, dass man derzeit Sachverhalte prüfe, um gemeinsam zu einer anderen Lösung zu kommen. (Lara Hagen, 3.5.2022)