Über ein Wiener Original weiß die Historikerin Friederike Kraus im Gastblog zu berichten.

"Du bist so narrisch wie die Gräfin Triangi", sagte meine Großmutter immer zu mir, wenn ich besonders übermütig war. Später fand ich heraus, dass das seinerzeit ein Standardausruf vieler genervter Eltern und Großeltern war. Die Großmutter starb, die Erinnerung blieb, und viele Jahre später suchte und fand ich die Spuren der Gräfin in Archiven, in zeitgenössischen Zeitungsartikeln und in authentischen Berichten alter Menschen, die die Triangi noch zu deren Lebzeiten gekannt hatten. Zutage kam das Bild einer exzentrischen Selbstdarstellerin, die offensiv ins Licht der Öffentlichkeit drängte und sich in der heutigen Seitenblicke-Gesellschaft sehr wohl gefühlt hätte. Sie war in den Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts eine der bekanntesten Personen Wiens, dann begann ihr Stern zu sinken, ihr Ende fand sie durch die gnadenlose Politik der NS-Diktatur.

Von der Fabrikantentochter zur Reichsgräfin

Antonia Beatrice Samek wurde am 6. Mai 1868 in Brünn in eine reiche jüdische Textilfabrikantenfamilie geboren. 1887 heiratete sie den Fabrikanten Richard Rindskopf, diese Ehe wurde 1893 geschieden, Antonia sehr großzügig abgefunden, die Tochter Lidia blieb bei ihrem Vater und hatte auch später keinen Kontakt mit der Mutter. Ein Jahr später kam Antonia nach Wien, wurde in der Waisenhauskirche am Rennweg auf den Namen Beatrice Antoinette getauft und erhielt die Bewilligung, ihren Namen von Rindskopf auf Riedhorst zu ändern. Nach einem kurzen Ehe-Intermezzo mit dem bulgarischen Kaufmann Ivan Dragulov 1897 bis 1899 und dem dazugehörigen Religionswechsel zur serbisch-orthodoxen Kirche erfüllte sich 1903 ihr Wunschtraum: Sie heiratete in die Aristokratie ein und wurde als Gattin des um neun Jahren jüngeren Reichsgrafen Albano Hugo Triangi von und zu Latsch und Madernburg zur Gräfin. Gleichzeitig nahm sie das evangelische Bekenntnis AB an.

Die nunmehrige Gräfin Beatrice Triangi gab sich sehr standesbewusst, wurde bei Wohltätigkeitsveranstaltungen und zur fashionablen Stunde am Korso und am Graben gesehen. Ihr Ehemann allerdings ging bald seine eigenen Wege. Der Kabarettist Fritz Feldner, ein Zeitgenosse, trifft mit seiner Beschreibung wahrscheinlich den Nagel auf den Kopf: "…Er war eine ebenso unansehnliche wie zwielichtige Erscheinung und verkehrte in Gesellschaftskreisen, die ihn in immer tiefere Schichten führten. Die ganze Ehe war ja in letzter Konsequenz ein Kuhhandel in buchstäblichem Sinne: das Geld vom Rindskopf sollte einen Reichsgrafen, der 'stier' war, auf einige Zeit sanieren …"

Die Eheleute verloren sich aus den Augen, 1926 starb der Graf völlig verarmt, außer Schulden hinterließ er "ein Paar Riemenhosenträger und einen Mantel, beides in schlechtem Zustand".

Die Gräfin litt an Realitätsverlust. Sie starb in der Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof". Von ihr geblieben ist nur die Ermahnung an Kinder, nicht so narrisch wie sie zu sein.
Foto: Robert Newald

Auftritte in Kabaretts und bei Gericht

Zu dieser Zeit war die Reichsgräfin Triangi schon eine stadtbekannte Persönlichkeit. Einerseits machte sie durch zahlreiche Gerichtsauftritte von sich reden, andrerseits trat sie in bekannten Kabaretts und Vergnügungsetablissements als Tänzerin, Pianistin, Flötistin und Sängerin auf. Ihre Selbstdarstellung war ebenso wie ihre Selbstüberschätzung in allen Fällen unübertroffen. Bei den Gerichtsprozessen handelte es sich fast immer um Ehrbeleidigungsdelikte, in denen sie entweder als Klägerin oder Beklagte auftrat. Sie erschien in großer Robe und verwies auf ihren Adelstitel, und – nicht ganz den Tatsachen entsprechend – auf ihre Talente als Künstlerin und ihre geistigen Fähigkeiten. Da es sich bei ihren Prozessgegnern meist um ebenso skurrile Personen handelte, waren die jedermann zugänglichen Verhandlungen immer so überfüllt, dass oft sogar ein Einschreiten der Polizei nötig war. Höhepunkte waren Prozesse wegen Ehrbeleidigungsklagen im Jahr 1933 gegen und durch den Goldfüllfederkönig Ernst Winkler, ebenso wie sie ein stadtbekannter Exzentriker, der sich bei allen Gelegenheiten in den medialen Vordergrund drängte.

Praktisch jede Zeitung berichtete von diesen Prozessen, genauso wurden alle ihre Auftritte in Vergnügungslokalen kommentiert. Sie war ein Garant für volle Häuser, ihre Popularität führte sogar zu einer Einladung des Sängers Leo Slezak, als Statistin an einer Aufführung der "Aida" an der Wiener Staatsoper teilzunehmen. Der Maler Christian Schad, ein Vertreter der "Neuen Sachlichkeit", fertigte ihr Porträt mit dem Titel "Triglion" an. In Kabarettprogrammen von Karl Farkas und Fritz Grünbaum, Feuilletons von Alfred Polgar und Egon Friedell, in der "Fackel" von Karl Kraus und in Spottgedichten wurde sie immer wieder erwähnt. Sie selbst rühmte sich häufig der Bekanntschaft mit königlichen Personen, ob zu Recht oder zu Unrecht, ist nicht bekannt.

Verbalinjurien und Handgreiflichkeiten

Ihre Darbietungen waren bizarr. Sie nannte sich "die größte Flötistin des Jahrhunderts", obwohl ihr Repertoire nur ein einziges Lied umfasste und sie auch dieses nicht bis zum Schluss beherrschte. Aber bis dahin kam sie ohnehin nie. Das Publikum unterbrach sie immer wieder durch Zurufe, es gab Knallfroschexplosionen, Tische wurden umgeworfen oder ein Kurzschluss inszeniert. Sie begann immer wieder zu spielen, aber die Unterbrechungen wiederholten sich. Wirklich virtuos war ihr Spiel nicht zu nennen, sie traf manche Töne nicht, was sie aber nicht weiter störte, sie setzte dann nämlich die Flöte ganz einfach ab und pfiff die jeweilige Stelle auf natürliche Art mit den Lippen. Die Gäste tobten, riefen ihr im Chor unanständige Dinge zu und spielten ihr allerlei Streiche. Wenn sie sich als Pianistin betätigte, platzierten ihre Fans Gläser, Löffel und anderes mehr auf die Klaviersaiten. Die Reichsgräfin begann zu spielen und die Hölle war los. Ein anderes Mal banden Witzbolde dünne Stahlseile an die Füße des Klaviers und zogen, während sich die Pianistin in das Spiel vertiefte, dieses ganz einfach von ihr weg. Die Gräfin ließ sich davon allerdings nicht stören und spielte "mit dramatischem Anschlag in der Luft weiter".

Genauso turbulent verliefen die Tanzaufführungen. Die Reichsgräfin, schon weit in ihren Fünfzigern und recht korpulent, trug voluminöse Kostüme. Ihr Leibtanz war "Wollust". Das Publikum skandierte: "Wir wollen Wollust, wir wollen Wollust!" Wenn sie während des Tanzes die Röcke hob, konnte es schon vorkommen, dass jemand rief "Da drunten aber ist's fürchterlich!". Aber auch sie blieb dem Publikum nichts schuldig, es kam zu gegenseitigen Verbalinjurien und gelegentlich zu Handgreiflichkeiten, die wieder zu Gericht führten.

Dunkle Zeiten

Mitte der dreißiger Jahre hatten sich die Zeiten verändert, auch vor Gericht. Die Richter wurden immer ungeduldiger mit der Gräfin, sie wurde öfter psychiatrisch untersucht. Bei den Auftritten der fast Siebzigjährigen wandelte sich die Hetz in eine Hetze, die antisemitischen Beschimpfungen, auch in Zeitungen, wurden immer lauter und immer hemmungsloser. Sie litt zunehmend an Realitätsverlust, als in Julius Streichers "Der Stürmer" ein Hetzartikel übelster Sorte über sie erschien, war sie erfreut, da er ihren hohen Bekanntheitsgrad bestätigte. Im April 1940 fand man sie in desolatem Zustand, völlig verwirrt und fast verhungert, in ihrer Wohnung. Am 28. April 1940 starb sie in der Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof", als Todesursache wurde Pneumonie vermerkt. Das Familiengrab am Zentralfriedhof verfiel. Die einzige Erinnerung an Beatrice Cita Albano Antonia Reichsgräfin Triangi von und zu Latsch und Madernburg, Baronin von Maderno-Riedhorst, Trientiner Edeldame, geschiedene Rindskopf, geschiedene Dragulowna, geborene Samek, blieb die Ermahnung an Kinder, nicht so narrisch wie sie zu sein. (Friederike Kraus, 5.5.2022)