Soll grundsätzlich von rechtsextremen Parteien gesprochen werden? FPÖ-Chef Herbert Kickl hat Marine Le Pen trotz verlorener Stichwahl in Frankreich gratuliert.

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Philipp Mittnik vom Zentrum für Politische Bildung der Pädagogischen Hochschule Wien wendet sich in seinem Gastkommentar gegen eine unterschiedliche Sicht auf die beiden rechten Parteien.

Bei der Berichterstattung zur französischen Präsidentschaftswahl bezeichneten zahlreiche österreichische Medien den Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen als rechtsextrem oder ultranationalistisch. Diese Zuschreibungen sind zweifelsohne korrekt, es stellt sich nur die Frage, warum österreichische Medien diese Bewertung nicht auch in Bezug auf die FPÖ anwenden.

Rechtsextreme Politik weist gegenüber den Grundlagen moderner Demokratien und pluralistischer Gesellschaften stets ein Konfliktverhältnis auf. Die Überbewertung der ethnischen Zugehörigkeit steht über dem grundlegenden demokratischen Egalitätsprinzip. Beides trifft unwidersprochen auf den RN und die FPÖ zu. Die engen Beziehungen und Parallelen der beiden Parteien sind unverkennbar. Unmittelbar nach der Niederlage in der Stichwahl gratulierte Parteichef Herbert Kickl Marine Le Pen zum "großen Erfolg für alle patriotischen Kräfte in Europa". Die Slogans beider Parteien "Österreich zuerst" beziehungsweise "Les Français d’abord" ("Franzosen zuerst") stehen für deren antiegalitäre Grundausrichtung.

Viele Gemeinsamkeiten

Zusätzlich fordern beide die Ausweisung von straffälligen Asylwerbern, ein Kopftuchverbot und die Verschärfung des Strafrechts. Die unreflektierte Kritik an der Europäischen Union und das Festhalten an einem rechtskonservativen Familien- und Geschlechterbild sind weitere Gemeinsamkeiten. Warum werden daher der Rassemblement National und die Freiheitliche Partei Österreichs nicht auch gleichwertig in der medialen Berichterstattung beurteilt?

Vielleicht haben wir uns bereits zu sehr an die Ungeheuerlichkeiten der freiheitlichen Politik gewöhnt. Diese auch von der Sprachsoziologin Ruth Wodak beschriebene "Normalisierung des Unsagbaren" wird aber in der (medialen) Öffentlichkeit offensichtlich nicht als Problem wahrgenommen. Diese unterschiedlichen Bewertungsmuster werden vor allem dann offensichtlich, wenn es vonseiten der Freiheitlichen Partei gehäuft Kontakt zur rechtsextremen Szene gibt. So wird medial und politisch wiederholt eine Abgrenzung der FPÖ von der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung eingefordert. Damit wird aber bereits definiert, dass die FPÖ nicht rechtsextrem sein kann und sich daher vom Rechtsextremismus distanzieren sollte.

Höheres Verständnis

Abschließend soll dargelegt werden, warum die korrekte politikwissenschaftliche Einordnung der FPÖ so wichtig ist. Seit Jahrzehnten verschiebt sich der politische Diskurs in Österreich nach rechts. Beim größten Teil der österreichischen Bevölkerung könnten die Bezeichnungen rechtsextrem oder ultranationalistisch zu einem höheren Verständnis führen, dass es sich bei den unzähligen "Einzelfällen", die ja auch seit 2018 vom STANDARD dokumentiert werden, um die programmatische Ausrichtung dieser Partei handelt und nicht um einzelne "Versehen".

So wie es der Freiheitlichen Partei in der politischen Diskussion "gelungen" ist, "straffällige Asylwerber" zu einem – nicht zulässigen – sprachlichen Konstrukt zu machen, sollte jedenfalls von der "rechtsextremen FPÖ" als – wissenschaftlich abgesicherte – Beurteilung gesprochen werden. (Philipp Mittnik, 4.5.2022)