Wenn das Bundesheer derzeit eines hat, dann höhere Offiziere, die in offiziellen Auftritten oder Hintergrundgesprächen den Krieg in der Ukraine plausibel und realistisch schildern können.

Wenn das Bundesheer eines nicht hat, dann eine Minimalrüstung, um in einem sehr entfernten, aber nicht ganz undenkbaren Konfliktfall entweder Widerstand leisten zu können oder eine Abschreckung zu projizieren.

Im Jahr 2019 ist unter der Federführung des damaligen Verteidigungsministers der Expertenregierung und jetzigen Adjutanten des Bundespräsidenten, Generalmajor Thomas Starlinger, eine Studie entstanden, die dem Heer ein vernichtendes Urteil ausstellte (siehe bundesheer.at "Zustandsbericht"). Starlinger gebrauchte den Begriff "technischer Hilfsdienst". Daran hat sich außer politischen Ankündigungen über ganz viel Geld nichts geändert.

Wenn das Bundesheer eines nicht hat, dann eine Minimalrüstung.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Es fehlt an so gut wie allem, was ein modernes Heer ausmacht: einem ordentlichen Führungsinfosystem, ordentlicher Informations- und Kommunikationsausstattung, einem Upgrade von Abfangjägern, Panzern, Schützenpanzern, aber vor allem auch an Panzerabwehrwaffen mittlerer Reichweite und bodengestützter Luftabwehr (Raketen). Kurzum allem, womit sich die Ukraine derzeit recht erfolgreich verteidigt.

Nun werden viele sagen, dass trotz Ukraine-Krise die österreichische Doktrin des "Was sollen wir schon machen, wenn die Russen kommen" nach wie vor aufrecht ist. Auch ein "aufgerüstetes" Bundesheer habe gegen die russische Übermacht keine Chance.

Glaubwürdigere Abschreckung

Das ist nicht ganz leicht zu widerlegen, aber der Ukraine-Krieg hat uns gelehrt, dass das Undenkbare doch Realität werden kann. Diktatoren tun, was sie ankündigen. Nämlich dass das Endziel die Zerstörung der europäischen Sicherheitsordnung und die Errichtung einer russischen Hegemonie ist. Unter diesen Voraussetzungen wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn wir die Umwandlung unseres Heeres in einen kampffähigen Verband doch ernst nehmen, und sei es wegen einer etwas glaubwürdigeren Abschreckung. Im restlichen Europa wird aufgerüstet, das bündnisfreie Finnland und wohl auch Schweden treten der Nato bei – und unsere nähere Umgebung sollten wir uns auch näher ansehen.

Zum Beispiel: Es klingt wie Paranoia, aber im Heer wird darauf verwiesen, dass Viktor Orbán der einzige Russland-Freund in Osteuropa ist und eine Grenze mit der Ukraine hat. Sollten nach einer Niederlage der Ukraine die Russen der Meinung sein, man könne ruhig noch ein wenig weiter vorrücken, ist nicht ganz ausgeschlossen, dass Orbán, obwohl Ungarn in der Nato ist, freiwillig aufmacht. Und wer ist der nächste Nachbar Ungarns im Westen?

Bis vor zwei Monaten haben sich sehr viele hierzulande nicht vorstellen können, dass Wladimir Putin mit der Ukraine Ernst machen wird. Obwohl die USA es genau vorhergesagt haben. Man hat Putin auch für einen rationalen Pokerspieler gehalten und nicht für den vor Ressentiments gegenüber dem Westen vibrierenden großrussischen Faschisten.

Das Bundesheer wäre nur ein kleiner Teil einer europäischen Abschreckungs- und Verteidigungsfront, aber wenn es völlig unbrauchbar ist, bleibt ein Loch, nicht wahr? Die "Wer ma scho segn"-Politik reicht hier nicht. (Hans Rauscher, 3.5.2022)