Im Justizbetrieb menschelt es: Da gibt es Freunde, alte Feinde, lang gehegten Groll; es gibt Paranoia, Wut und Frust. All das zeigt der aktuelle U-Ausschuss samt Chats. Ein Problem ist das an sich nicht, weil es sich nicht verhindern lässt. In jeder Organisation, in der Menschen miteinander zu tun haben, kommt es zu der einen oder anderen Gefühlswallung.

Der Justitzpalast in Wien.
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Das Problem entsteht vielmehr in der völligen Enthemmtheit, mit der diese Gefühle gelebt wurden. Er sei kein Anstandswauwau für Christian Pilnacek gewesen, sagte dazu Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien. Und: Man habe in Chats eben geredet "wie im Wirtshaus". Eine ungezwungene Kommunikation zwischen Kollegen kann sinnvoll sein, hier wurden aber Grenzen überschritten. Auch im Wirtshaus kann man "Stopp" sagen, wenn sich jemand in Rage redet. Womöglich wäre alles anders, wäre im Konflikt mit der WKStA jemand rasch eingeschritten.

Auch im Fall von OGH-Vizepräsidentin Eva Marek zeigten Chats, wie unverschämt diese einen Karrieresprung vom damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter forderte. Die gewünschte Position wurde es zwar nicht, dafür eben die Stelle am Höchstgericht. Dass Justizministerin Alma Zadić nun den Bestellungsprozess reformiert, um mehr Transparenz zu schaffen, ist begrüßenswert. Neue Regeln allein werden aber nicht reichen. Für mehr Anstand müssen die Menschen in der Justiz schon selbst sorgen. (Fabian Schmid, 3.5.2022)