Von einer zeitgemäßen Umgestaltung ist man weit weg, stellen die Rechtsanwälte Richard Soyer und Philip Marsch im Gastkommentar fest.

Die Regierung Nehammer/Kogler will das Parteiengesetz ändern. Die neuen Regeln sollen noch vor dem Sommer beschlossen werden.
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Der Initiativantrag zur Novellierung des Parteiengesetzes erweist sich in seinen Grundannahmen als grobe Themaverfehlung. Die Gründung von Parteien und auch die Beteiligung an deren Aktivitäten sollen im Verfassungsrang als Ausdruck zivilgesellschaftlicher Teilnahme verstanden werden. Das ist grundfalsch: Die Zivilgesellschaft versucht staatliche Institutionen von außen zu beeinflussen und nimmt an diesen nicht unmittelbar teil. Parteien dagegen sind nach Hans Kelsen Organe der staatlichen Willensbildung, auf Dauer organisierte Verbindungen von Menschen, die auf eine umfassende Beeinflussung der staatlichen Willensbildung abzielen. Dies im Rahmen einer gesetzlich formalisierten juristischen Person, genannt: Partei.

Diese Unterscheidung im Tatsächlichen wie im Rechtlichen ist keine juristische Spitzfindigkeit. Sie ist zentral, denn sie erkennt und definiert Parteien als Säulen unserer verfassungsmäßigen Ordnung, die gesellschaftliche Phänomene anerkennen und im Rahmen des Staatswesens umsetzen oder sie ignorieren. Diese Sonderstellung begründet die Notwendigkeit und die Rechtfertigung, an Parteien einen strengeren Maßstab anzulegen als an zivilgesellschaftliches Handeln.

"Parteien werden auf die Ebene von Tierschutzvereinen gestellt."

Nach dem Initiativantrag soll damit die Wertschätzung für gesellschaftspolitisches Engagement im Allgemeinen ausgedrückt werden, tatsächlich werden Parteien damit auf die Ebene von Tierschutzvereinen gestellt und aus ihrer Verantwortung entlassen. Nichts gegen Tierschutzvereine, diese determinieren aber nicht die Gesetzgebung und beschicken auch nicht die staatlichen Institutionen. Eine Partei ist daher keine zivilgesellschaftliche, sondern eine (zumindest quasi)staatliche Institution und als solche in die Verantwortung zu nehmen.

Damit setzt die Politik einen traditionsreichen Weg fort: Zur Strafbarkeit aktiver und passiver Bestechung von Abgeordneten in vollem Umfang sah sich der österreichische Gesetzgeber erst 2012 über internationalen Druck veranlasst, obwohl die Verpflichtung dazu bereits seit Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption im Jahr 2006 bestand. Herumlavieren ist der hiesigen Strafrechtspolitik und -praxis nicht fremd: Das wiederkehrende Lamento, dass politische Arbeit doch bitte nicht kriminalisiert werden dürfe, erinnert an die Untreuestrafbarkeit bei Unternehmenslenkern: Die Strafbarkeit von (wissentlichem) Missbrauch eingeräumter Befugnisse über fremdes Vermögen war international schon lange State of the Art, in Österreich war es in der Praxis eine "schwere Geburt" und steht erst seit 2015 auf zeitgemäßem gesetzlichem Boden.

Eine Art Kavaliersdelikt

Ein Blick in das geltende Parteiengesetz und seine Sanktionierungsmöglichkeiten führt so gesehen zu keinen Überraschungen. Zum Vergleich: In Deutschland besteht seit 2002 ein zeitgemäßes Parteiengesetz, das eine unrichtige Rechnungslegung unter gerichtliche Strafe stellt; daneben gelten die allgemeinen Strafvorschriften Untreue und Betrug auch für den Umgang mit Parteivermögen. Vergleichbares Unrechtsverhalten ist im geltenden österreichischen Parteiengesetz eine Art Kavaliersdelikt – ein bloßer Verwaltungsstraftatbestand (mit obendrein milden Geldstrafdrohungen), der ausschließlich die politische Partei trifft.

Der Straftatbestand der Untreue gilt gemeinhin als sogenannter Auffangtatbestand: Wenn es sonst nichts ist, zumindest ein wissentlicher Missbrauch eingeräumter Befugnisse kann es sein (und zu Ermittlungen und Strafen führen). Bloß nicht bei missbräuchlichem Verhalten von Parteifunktionären in Zusammenhang mit dem Parteiengesetz: Hier soll Untreue rechtlich unmöglich und Förderungsmissbrauch geradezu undenkbar sein. Zu diesem Ergebnis kamen die politisch weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften im Falle der geradezu absurden Überschreitungen der Wahlwerbungsausgaben bei der Nationalratswahl 2017. Vor Justitia sind alle gleich, Parteien aber gleicher.

Bloß Verwaltungsstrafen

Der aktuelle türkis-grüne Initiativantrag schafft es, dem Ganzen noch eine Krone aufzusetzen. Statt endlich gesetzgeberisch klarzustellen, dass Verletzungen des Parteiengesetzes im Umgang mit Vermögen von Parteien mit gerichtlichen Strafen geahndet werden, hält § 12 des Initiativantrags am Regime bloßer Verwaltungsstrafen fest; bei Unternehmen dagegen werden vergleichbare Handlungsweisen den gerichtlichen Strafbestimmungen der §§ 163a ff. des Strafgesetzbuches (vulgo Bilanzfälschung) unterworfen. Das Ganze macht in zynischer Weise auf mehreren Ebenen "Sinn": ohne gerichtliche Strafbestimmungen auch keine Anwendung der Strafprozessordnung und damit auch keine unangenehmen Ermittlungsmaßnahmen, die Aufklärung gewährleisten.

Offene Regelungslücken

Das scheint System zu haben: Die türkis-grüne Koalition versuchte bekanntlich, Hausdurchsuchungen bei Behörden zu verunmöglichen. Und einen ehemaligen Bundeskanzler ließ man die Korruptionsstaatsanwaltschaft beinahe sturmreif schießen.

Die Hervorkommnisse der letzten Jahre haben die Regelungslücken und die fragwürdigen Verhaltensweisen, die damit einhergehen können, unübersehbar aufgezeigt. Der Initiativantrag ist aber nicht geeignet und möglicherweise nicht einmal willens, dem einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Es soll bloß der Anschein einer Lösung erweckt werden, indem ein bürokratisches Ringelspiel angeworfen und befeuert wird. Einer führt Listen, der Nächste prüft, wieder ein anderer drückt seinen Stempel drauf, ein Behördenapparat prüft noch einmal, das Ganze wird Jahre später vielleicht veröffentlicht, und persönliche Verantwortung gibt es – de facto – nicht, weder im aktuellen Parteiengesetz noch im Initiativantrag.

Das ist keine zeitgemäße Reform des Parteiengesetzes. Wer das glauben machen will, trägt dazu bei, dass das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in die Politik allmählich totalbeschädigt wird. (Richard Soyer, Philip Marsch, 4.5.2022)