Wer geglaubt hat, dass die antisemitischen Aussagen des russischen Außenministers nicht mehr zu toppen sind, wurde schon zwei Tage später eines Besseren belehrt. Am Sonntag erklärte Sergei Lawrow, es sei für die russischen Pläne der "Entnazifizierung" der Ukraine egal, ob Präsident Wolodymyr Selenskyj Jude sei, denn auch Hitler habe jüdische Wurzeln gehabt, und überhaupt seien Juden die größten Antisemiten. Am Dienstag warf nun das Außenministerium in Moskau Israel vor, in der Ukraine ein "neonazistisches Regime" zu unterstützen. Zuvor hatte Jerusalem Lawrow scharf kritisiert, der russische Botschafter wurde einbestellt.

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Lawrow toppte nochmals seine eigenen kuriosen Aussagen.
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Deutschland findet unterdessen bei seiner Ukraine-Politik weiterhin nicht in die Spur. Nach einer Debatte über Waffenlieferungen und Pazifismus steht nun erneut Olaf Scholz im Mittelpunkt der Kritik. Der Kanzler hatte erklärt, dass er nicht nach Kiew reisen werde, weil die Ukraine Mitte April Frank-Walter Steinmeier ausgeladen hatte. Kiew hat dem Bundespräsidenten sein Appeasement gegenüber Russland während seiner Amtszeit als Außenminister nicht verziehen.

Beleidigte Leberwurst

Der Botschafter der Ukraine in Berlin, Andrij Melnyk, erklärte, es gehe "um den brutalsten Vernichtungskrieg seit dem Nazi-Überfall auf die Ukraine, es ist kein Kindergarten". Er warf Scholz vor, die "beleidigte Leberwurst zu spielen". Dieser erklärte im ZDF: "Es kann nicht funktionieren, dass man von einem Land, das so viel militärische Hilfe, so viel finanzielle Hilfe leistet (...) dass man dann sagt, der Präsident kann aber nicht kommen." Die geleistete Hilfe ist im internationalen Vergleich überschaubar: Sie umfasst in den ersten acht Kriegswochen rund 192 Millionen Euro.

Die Regierung hat nach Angaben des Wirtschaftsministeriums die Lieferung von Kriegswaffen für 120,5 Millionen Euro und für sonstige Rüstungsgüter im Wert von 71,4 Millionen Euro freigegeben. Die USA sagten der Ukraine hingegen Waffen und Munition im Wert von rund 3,5 Milliarden Euro zu. Selbst das kleine Estland hat bisher Militärhilfe im Wert von mehr als 220 Millionen Euro für die Ukraine geleistet.

Deutsche Unterstützung für etwaige finnisch-schwedische Nato-Beitrittspläne.
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Zumindest einem Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands wird Berlin nicht im Weg stehen. Bei einer Deutschlandvisite der Regierungschefinnen Magdalena Andersson und Sanna Marin versprach Scholz seine Unterstützung für den Fall eines Aufnahmeantrages an das Verteidigungsbündnis.

Wladimir Klitschko mit offenem Brief

Unterdessen reiste CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstag auf Einladung des ukrainischen Parlaments nach Kiew, um Regierungschef Denys Schmyhal und Bürgermeister Witali Klitschko zu treffen. Witalis Bruder Wladimir antwortete am Dienstag auch auf den viel diskutierten offenen Brief deutscher Intellektueller mit einem eigenen Brief, in welchem er davon sprach, dass Gerechtigkeit das Mindeste sei, was man den Opfern der Kriegsverbrechen schulde. Man werde sich "wehren, bis der Aggressor nach Hause geht", stellte Klitschhko klar :"Unseren Widerstand als Kriegstreiberei zu beschreiben und als eine Provokation Putins darzustellen, ist völliger Unsinn", schrieb Wladimir Klitschko und forderte erneut ein Embargo für Öl und Gas um der russischen Kriegstreiberei zumindest die finanziellen Mittel zu entziehen.

Auf ein solches Sanktionspaket arbeitet die jedenfalls hin. Es könnte noch am Dienstagabend präsentiert werden. "Wir arbeiten an dem sechsten Sanktionspaket, das darauf abzielt, mehr Banken aus SWIFT auszuschließen, Desinformationsakteure aufzulisten und Ölimporte zu beschränken", schrieb EU-Chefdiplomat Josep Borell am Dienstagnachmittag auf Twitter.

Der Papst hat Putin eine Moskau-Reise angeboten, doch dieser hat noch nicht geantwortet.
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Papst Franziskus erklärte hingegen, zu Präsident Wladimir Putin nach Moskau reisen zu wollen, um ihn zu Verhandlungen zu bewegen. Nach zwanzig Tagen des Krieges habe er das Angebot nach Moskau geschickt, eine Antwort habe er jedoch nicht erhalten, sagte der Papst im Interview mit dem Corriere della Sera. Eine eigenwillige Geschichtsinterpretation lieferte dagegen der oberste Geistiliche Russlands. So habe Moskau laut dem orthodoxen Patriarchen Kyrill I. noch nie einen Angriffskrieg geführt. "Wir wollen gegen niemanden Krieg führen, Russland hat nie jemanden angegriffen."

"Geht um Gut gegen Böse"

Virtuell besuchte hingegen Boris Johnson Kiew. Der britische Premier versprach der Ukraine in einer Videoansprache vor dem Parlament nachhaltige Unterstützung. "Es geht um ukrainische Demokratie gegen Putins Tyrannei", sagte der Premier. "Es geht um Freiheit gegen Unterdrückung. Es geht um Gut gegen Böse. Deshalb muss die Ukraine gewinnen." Der Mut und Einsatz seien eine Sternstunde des Landes, erklärte Johnson in Anlehnung an die bekannte Weltkriegsdurchhalterede seines Amtsvorgängers Winston Churchill: "Die Ukraine wird gewinnen, die Ukraine wird frei sein."

In einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron warf Putin Kreml-Angaben zufolge am Dienstag den ukrainischen Streitkräften Kriegsverbrechen vor und sagte, "der Westen könnte dazu beitragen, diese Gräueltaten zu beenden", indem er Druck auf Kiew ausübe "sowie die Waffenlieferungen an die Ukraine stoppt".

Ausweitung des Krieges befürchtet

In der Ukraine scheint inzwischen der russische Sturm auf das belagerte Stahlwerk Asowstal in der Hafenstadt Mariupol begonnen zu haben. Die Verteidiger berichteten jedenfalls von heftigen Bombardements, bei denen auch Zivilisten ums Leben gekommen seien. In der Anlage sind noch rund zweihundert Zivilisten eingeschlossen. Laut Bürgermeister Wadym Bojtschenko befinden sich noch immer hunderttausend Menschen in der Stadt. Bei einem russischen Angriff auf eine Fabrik in der Ostukraine sind nach ukrainischen Angaben zudem mindestens zehn Menschen getötet worden.

Der von Russland angezettelte Krieg könnte sich in den nächsten Wochen noch massiv ausweiten. In den ukrainischen Medien wurde die Sorge geäußert, dass Putin bald den Kriegszustand verhängen und eine Generalmobilmachung verfügen könnte. Auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hält eine weitere Eskalation des russischen Angriffskriegs für denkbar. (Michael Vosatka, 3. 5. 2022)