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Proteste gegen das mögliche Ende des Rechts auf Abtreibung in der kalifornischen Stadt Oakland.

Foto: Jessica Christian/San Francisco Chronicle via AP

Washington – Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hat eindringlich vor einem Ende des Rechts auf Abtreibung in den USA gewarnt. "Die Folgen dieser Entscheidung wären ein Schlag nicht nur für die Frauen, sondern für alle, die glauben, dass es in einer freien Gesellschaft Grenzen für den Eingriff des Staates in unser Privatleben gibt", erklärte der 60-Jährige am Dienstag.

Sollte der Oberste Gerichtshof sein Grundsatzurteil zu Abtreibungen von 1973 kippen, zwinge das die Menschen dazu, jedes verfassungsrechtlich anerkannte Interesse daran aufzugeben, was mit ihrem Körper geschehe, sobald sie schwanger seien. "Nach der Logik des Gerichts könnten die Parlamente der Bundesstaaten vorschreiben, dass Frauen jede Schwangerschaft bis zum Ende austragen müssen, unabhängig davon, wie früh sie ist und welche Umstände zu ihr geführt haben – selbst bei Vergewaltigung oder Inzest", so Obama.

Zugang zu Verhütungsmitteln verbessern

Es sei unwahrscheinlich, dass so eine Entscheidung die Zahl der Abtreibungen signifikant verringern werde. Dafür, dass die Zahl sinke, seien größtenteils der bessere Zugang zu Verhütungsmitteln und Aufklärung verantwortlich. Schwangere würden bei einem Verbot "verzweifelt nach illegalen Abtreibungen suchen, die unweigerlich große Risiken für ihre Gesundheit, ihre zukünftige Fähigkeit, Kinder zu gebären, und manchmal auch für ihr Leben mit sich bringen", erklärte Obama.

Proteste in New York

Tausende Menschen demonstrierten unterdessen in New York gegen die möglicherweise drastische Einschränkung des Abtreibungsrechts. Menschenmassen füllten am Dienstag den Foley Square in Downtown Manhattan – sie signalisierten mit grünen Kleidern ihre Unterstützung für weibliche Selbstbestimmung. Auf Plakaten stand unter anderem "Frauenfeindlichkeit tötet mehr Menschen als Abtreibung" und "Stoppt den Krieg gegen Frauen". Auch in vielen anderen US-Städten wurde gegen die mögliche Gesetzesänderung protestiert.

Noch keine endgültige Entscheidung

Hintergrund ist der Entwurf einer Urteilsbegründung des Supreme Court, der dem Magazin "Politico" vorliegt. Diesem Entwurf zufolge soll das als Roe v. Wade bekannte Grundsatzurteil von 1973 gekippt werden. Der Supreme Court hat die Echtheit des Dokuments bestätigt. Gleichzeitig betonte er, dass es sich dabei nicht um eine endgültige Entscheidung handle. Ähnlich wie US-Präsident Joe Biden sprach sich auch Obama dafür aus, das Recht auf Abtreibung per Gesetz festzuschreiben. Mit den aktuellen Mehrheiten im Senat können Bidens Demokraten ein solches Gesetz aber nicht ohne weiteres durchbringen.

Oklahoma: Abtreibungsverbot nach sechster Schwangerschaftswoche

Der US-Bundesstaat Oklahoma hat unterdessen Schwangerschaftsabbrüche nach der sechsten Woche verboten. "Ich möchte, dass Oklahoma der lebensfreundlichste Staat des Landes wird, weil ich alle vier Millionen Oklahomans vertrete, die mit überwältigender Mehrheit das ungeborene Leben schützen wollen", schrieb der republikanische Gouverneur Kevin Stitt nach der Unterzeichnung des Gesetzes am Dienstag auf Twitter.

Oklahomas "Herzschlaggesetz" ähnelt einer hochumstrittenen Regelung des Bundesstaats Texas. Es verbietet Schwangerschaftsabbrüche, sobald ein Arzt bei einem Embryo oder Fötus den Herzschlag feststellen kann. Das kann bereits nach rund sechs Wochen der Fall sein, wenn manche Frauen noch nicht einmal wissen, dass sie schwanger sind. Das Gesetz erlaubt auch Zivilklagen gegen Personen, die Abtreibungen vornehmen oder Frauen dabei wissentlich unterstützen.

Oklahoma lässt aber im Gegensatz zu Texas spätere Abtreibungen in medizinischen Notfällen, nach Vergewaltigungen oder Inzest zu. "Das ist ein dunkler Moment. Letzte Nacht wurden unsere Befürchtungen über das Schicksal der Abtreibungsrechte am Obersten Gerichtshof der USA bestätigt – und heute stehen die Menschen in Oklahoma vor dem unmittelbaren Verlust des Zugangs zur Abtreibung", sagte Alexis McGill Johnson, Präsidentin der Beratungsstelle Planned Parenthood. (APA, 4.5.2022)