Gerade bei Kindern im Wachstum spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Eine rein vegane Ernährung wird für diese Gruppe nicht empfohlen.

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In Österreich ernähren sich etwa 280.000 Menschen vegetarisch. Das heißt, sie essen kein Fleisch und keinen Fisch. 106.000 Personen leben sogar vegan, verzichten also komplett auf tierische Produkte. Und der Trend zur tierlosen Ernährung nimmt weiter zu. Die Klimakrise und schlechte Bedingungen bei der Tierhaltung lassen viele Menschen umdenken. Und das nicht nur bei sich selbst, auch bei ihren Kindern. Aber ist eine Ernährung ohne Fleisch oder tierische Produkte wirklich gut für Kinder? Dieser Frage ist ein kanadisches Forscherteam nachgegangen und kommt zu dem Schluss: Kinder, die sich vegetarisch ernähren, können zu Untergewicht neigen, zeigen aber sonst kaum Unterschiede.

Für die Studie wurden 8.907 Kinder im Alter von sechs Monaten bis acht Jahren zwischen 2008 und 2019 beobachtet. Peter von Philipsborn, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Public Health der Ludwig-Maximilians-Universität München, erklärt: "Die Studie untersuchte den Einfluss einer vegetarischen oder veganen Ernährung auf die körperliche Entwicklung, die Eisen- und Vitamin-D-Versorgung. Die teilnehmenden Kinder in Toronto wurden dafür jeweils über einen Zeitraum von knapp drei Jahren mehrfach körperlich untersucht."

Die Ergebnisse: Beide Gruppen zeigten einen ähnlich durchschnittlichen Body-Mass-Index (BMI) und eine ähnliche Körpergröße. Und auch bei der Nährstoffversorgung etwa mit Eisen und Vitamin D wiesen alle Kinder vergleichbare Werte auf. "Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren Untersuchungen aus anderen Ländern, die ebenfalls zeigten, dass eine ausgewogene, abwechslungsreiche vegetarische Ernährung Kinder und Erwachsene gleichermaßen mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt und eine normale kindliche Entwicklung ermöglicht", erklärt Philipsborn.

Lückenhafte Ergebnisse

Die Studienergebnissen zeigten aber auch, dass die vegetarisch ernährten Kinder eine fast zweifach höhere Wahrscheinlichkeit hatten, untergewichtig zu sein. Der Mediziner ist sich allerdings nicht sicher, ob man diese Ergebnisse einfach so stehen lassen kann: "Der Anteil der Kinder mit Untergewicht war sehr niedrig und lag in beiden Gruppen im Verlauf der Studie im Durchschnitt bei rund einem Prozent, wie eine Grafik im Anhang der Studie zeigt." Darum könnte es sich bei dem Wert auch um einen Zufallseffekt handeln. "Das ist insbesondere deshalb möglich, weil in der Studie eine große Zahl an Merkmalen untersucht wurde, und je mehr Merkmale untersucht werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei mindestens einem Merkmal rein durch Zufall ein vermeintlicher Unterschied zwischen den untersuchten Gruppen zeigt. Das wurde von den Autorinnen und Autoren in ihren Berechnungen aber nicht berücksichtigt", betont Philipsborn.

Und der Experte hat eine weitere Kritik an der Studie: "In der Auswertung wurde nicht zwischen vegetarisch und vegan ernährten Kindern unterschieden. Aus anderen Studien weiß man, dass es bei einer veganen, also rein pflanzlichen Ernährung unter anderem zu einem Vitamin-B12-Mangel kommen kann. Deshalb sollten alle Menschen, die sich vegan ernähren, ein Vitamin-B12-Präparat einnehmen." Und er weist darauf hin, dass für Kinder und Jugendliche, aber auch für Schwangere und Stillende eine vegane Ernährung von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung nicht empfohlen wird.

Weitere Studien nötig

Dennoch zeigt die Studie, dass eine vegetarische Ernährung auch für Kinder weitgehend geeignet ist. Hans Hauner, Direktor des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München, betont jedoch: "Diese Studie kann keine letzte Sicherheit liefern, da die Beobachtungsdauer zu kurz war und auch die Information über die Ernährung der Kinder und ihrer Eltern lückenhaft zu sein scheint. Die Autoren kommen selbst zum Schluss, dass größere Kohortenstudien benötigt werden, um die langfristigen Konsequenzen einer vegetarischen oder veganen Kost auf das Wachstum und den Ernährungsstatus der Kinder zuverlässig einschätzen zu können." (Jasmin Altrock, 5.5.2022)