Kunststudentin Kaja Clara Joo ist auf Skulpturen spezialisiert. Derzeit stellt sie ihre Werke im Bildraum 07 in Wien aus.

Foto: Corn

Kaja Clara Joo hat immer einen Blazer dabei, falls sich im Laufe des Tages ein wichtiger Termin ergibt. Sie ist Studentin an der Universität für angewandte Kunst in Wien und stellte 2019 das erste Mal eine ihrer Skulpturen in einer Galerie aus. Seit eineinhalb Jahren kann sie von ihren Verkäufen, Stipendien und Förderungen auch tatsächlich leben. Damit ist sie eher eine Ausnahme unter ihren Kommilitonen. Dafür arbeitet die Dreißigjährige, neben dem Studium, in Produktionszeiten bis zu 70 Stunden die Woche.

Angefangen hat Joo – wie fast alle Nachwuchskünstlerinnen – in Off-Spaces. Das sind Ausstellungsräume, in denen es nicht um den Verkauf der Werke, sondern um ihre Präsentation geht. Studierende können dort ihre Kunstprojekte ausstellen und so das Interesse auf sich ziehen. Das gelang Joo, die daraufhin eine Zusammenarbeit mit einer Galerie startete. Die Galerie tritt gleichsam als ihre Managerin auf und schneidet dafür 50 Prozent Provision aus den Erlösen mit.

Foto: Corn

Studierende erhalten selten Angebote von Galerien, denn sie gehen mit ihnen ein Risiko ein, solange die Verkäuflichkeit ihrer Werke ungeklärt ist. Kommt es doch dazu, begeben sich die Kunstschaffenden in ein Abhängigkeitsverhältnis. Wenn sie irgendwann von ihrer Kunst leben wollen, ist das allerdings kaum vermeidbar – ein Drittel der Kunstschaffenden in Österreich gilt als armutsgefährdet. Für Joo, die vor allem große Skulpturen produziert, war deswegen früh klar, dass es ohne Galerien nicht gehen würde: "Kontakte zu potenziellen Käufern bekomme ich nur auf diesem Weg."

Diversität zum Verkauf

Gleichzeitig lernen junge Künstlerinnen an der Uni, ihre Studienzeit für ihre kreative Selbstfindung zu nutzen, ohne sich von Markt und Verkaufswert beeinflussen zu lassen, wie die Studentin Nayeun Park erzählt. In der Praxis komme man um die weitreichenden Vorstellungen der Galerien allerdings kaum herum. Für Park heißt das mitunter, dass an sie als Künstlerin mit anderer Hautfarbe und südkoreanischer Staatsbürgerschaft spezielle Erwartungen gestellt werden. Ihre Identität wird zum begehrten Diversitätsfaktor stilisiert: "Sie erwarten von mir explizit andere, unösterreichische Kunst."

Kunststudentin Nayeun Park
Foto: Roman Peter Prostejovsky

Von Ausbeutung und Hierarchien am Wiener Kunstmarkt können beide Künstlerinnen ein Lied singen. Von Mechatronikern, die die Unerfahrenheit ihres jungen Gegenübers ausnutzen und für ihre Arbeit das gesamte Produktionsbudget einfordern. Von Ausstellungsmachern, die Bilder schlicht nicht retournieren, oder von Galeristen, die im Austausch für Inserate einen Großteil der Kunstwerke ihres Protegés an einen Medienmogul vergeben wollen. Oft wüssten junge Künstlerinnen nicht, was die gängige Praxis am Markt sei, sagt Joo. "Wir bearbeiten mit unserer Kunst ständig politische Themen, aber über die wirtschaftlichen Aspekte unserer Arbeit sprechen wir selten."

Protest gegen toxische Züge der Galerieszene

Während der Pandemie verstärkte sich die Selbstvermarktung in den sozialen Medien, und der Konkurrenzdruck in der Szene steigt. Auf Instagram, der wichtigsten Plattform künstlerischer Selbstinszenierung, sorgt allerdings auch eine Gruppe von Kunststudierenden für Aufsehen, die sich Kritik an der Galerieszene auf die Fahnen schreibt: die PAF – Pomeranze Art Foundation. Das Logo der PAF erinnert an die Rote Armee Fraktion (RAF), eine ehemalige linksterroristische Vereinigung Westdeutschlands. Anstelle des Maschinengewehrs der RAF unterlegt ein Pinsel den Namen der Gruppe. Ihnen gehe es keineswegs um physische Gewalt, sondern um "geistigen Terror", sagt PAF-Mitglied Christian, der ein Pseudonym verwendet. Künstler sollten "Terroristen bürgerlicher Gesellschaftideale" sein.

Die PAF gründete sich im Vorjahr anlässlich der Interconti, einer hybriden Messe im Wiener Hotel Intercontinental. Die Messe wurde zum Symbol einer Ausstellungsszene, die in der Wahrnehmung der Gruppe viel Unzufriedenheit unter den Kunstschaffenden erzeuge, bisher aber in ihrer Form geduldet werde. Einer Szene, die in "pseudofeudalen" Strukturen arbeite, in der sich befreundete Galeristen die Hand reichen und Künstler ihre ursprünglich Aufgabe vergessen und stattdessen Teil eines "Breis der Mittelmäßigkeit voller toxischer Züge" werden, wie die PAF pointiert anprangert. Seit der Messe veröffentlicht die Gruppe anonym Missstände des Kunstmarkts.

Vorbild Salzburg

Die Interessenvertretung der Bildenden Künstler_innen, die IG Bildende Kunst, versucht die prekäre Lage auf offiziellem Weg zu ändern. In einem Leitfaden gibt sie Empfehlungen für faire Bezahlung an öffentlichen Kunstinstitutionen ab. Vorzeigemodell dafür, wie es anders gehe, sei das Land Salzburg, sagt Vorstandsmitglied Vasilena Gankovska. Dort steht bis 2024 eine Million Euro Steuergeld für die Förderung entsprechender Gehälter bereit. Im Jänner stellte Kunststaatssekretärin Andrea Mayer eine Fair-Pay-Initiative für ganz Österreich in Aussicht. 2022 wird sie in einem Testlauf erstmals zum Kriterium für Kulturförderungen des Bundes. Kommerzielle Galerien betrifft diese Regelung jedoch nicht. Christian von der PAF sieht mögliche Alternativen deswegen einen Schritt weiter: in staatlich subventionierten Galerien, die die Ausstellung schwer verkäuflicher Arbeiten ermöglichen. Für ihn wäre das eine Entwicklung entgegen der "Kuratierung des eigenen Lebens". (Sarah Yolanda Koss, 10.5. 2022)