Auf breite Zustimmung stößt die Beseitigung einer Schieflage beim Selbsterhalterstipendium. Künftig dürfen dieses auch jene beziehen, die bereits in jüngeren Jahren normale Studienbeihilfe erhalten haben.

Foto: iStock/Dankloff

Das Abgeben auf den letzten Drücker ist nicht nur unter Studierenden beliebt, sondern auch in der türkis-grünen Hochschulpolitik. Seit Ende 2019 steht die geplante Reform der Studienbeihilfe im Regierungsprogramm. Dennoch wurde die Gesetzesnovelle, die ab diesem September wirken soll, so spät ausgearbeitet, dass nach der Präsentation vergangene Woche jetzt kaum mehr Zeit mehr für eine ordentliche Begutachtung bleibt. Die entsprechende Frist endet bereits kommenden Montag. Die Neos zeigen sich über das gehetzte Prozedere empört, und selbst die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger räumte ein, die Frist sei eigentlich "zu kurz".

Beihilfe bei späterem Start

Wesentlicher Verzögerungsfaktor in den Koalitionsverhandlungen dürfte am Schluss die Erhöhung der Altersgrenzen für den Bezug der Förderungen gewesen sein. Die ÖH fordert seit jeher gar die Abschaffung der Altersgrenzen, die Grünen waren für eine stärkere Anhebung als das ÖVP-geführte Bildungsministerium. Herausgekommen ist nun eine moderate Erhöhung um drei Jahre. Bedeutet: Künftig kann man Studienbeihilfe erhalten, sofern man vor dem Alter von 33 – statt wie bisher 30 – ein Studium anfängt. In manchen Fällen, so etwa bei Studierenden mit eigenen Kindern oder für ein Masterstudium, erhöht sich die Altersgrenze analog von 35 auf 38 Jahre.

Das Kriterium ist wohlgemerkt der Beginn des jeweiligen Studiums: Wer danach die geforderten Studienleistungen kontinuierlich abliefert, hat mitunter noch in den frühen 40ern Anspruch auf die Förderung. Bei Anna Raith, Hochschulexpertin der Arbeiterkammer, stößt das auf Zustimmung, wie sie bei einer Podiumsdiskussion im Wiener Audimax sagte: "Das ermöglicht mehr Menschen, sich auf dem zweiten Bildungsweg für ein Studium zu entscheiden." Angesichts der Umbrüche am Arbeitsmarkt sei das ein Gebot der Stunde. Naheliegend wäre etwa der späte Einstieg in ein Pflegestudium an einer Fachhochschule, die Brache sucht bekanntlich händeringend nach Personal.

Größerer Kreis an Selbsterhaltern

In dieselbe Richtung geht auch die in der Reform inbegriffene Ausweitung des Selbsterhalterstipendiums. Wie gehabt bleibt das Stipendium daran geknüpft, dass man davor mindestens vier Jahre lang selbst durch Arbeit genug verdient hat, um sich zu erhalten – derzeit müssen das mindestens 8580 Euro jährlich über die vier Jahre gewesen sein. Eine solche Selbsterhalterin kann unabhängig vom Einkommen der Eltern den Höchstsatz der Studienbeihilfe lukrieren.

Allerdings stand das Format des Selbsterhalterstipendiums nach bisheriger Rechtslage nur jenen Personen offen, die nicht früher in ihrer Biografie schon einmal die normale Studienbeihilfe bezogen hatten. Wer aus einer ärmeren Familie stammt und daher während einer Studienphase in jungen Jahren die normale Beihilfe beziehen musste, wurde somit von einem späteren Selbsterhalterstipendium ausgeschlossen. Diese Schieflage wird zur Freude der ÖH nun abgeschafft. Das dürfte aber durch den ausgedehnten Kreis an Anspruchsberechtigten "nicht ganz billig werden", wie der Studienbeihilfefachmann des Ministeriums, Alexander Marinovic, erwartet.

Ungleiche Erhöhung

Den budgetär größten Brocken macht allerdings die generelle Erhöhung der Studienbeihilfe für die insgesamt knapp 50.000 Bezieherinnen und Bezieher aus. Für Studierende unter 24 steigen die Geldbeträge um rund zwölf Prozent, für die Älteren zwischen 8,5 und zehn Prozent – die genauen Steigerungsraten hängen auch vom Wohnort ab. Der Höchstsatz, der aber nur den wenigsten zusteht, steigt von 841 auf 923 Euro.

Dass die Älteren weniger dazubekommen als die Jüngeren, sei aufgrund der empirischen Befunde zur sozialen Lage der Studierenden nicht schlüssig, sagt Sozialforscherin Anna Dibiasi vom Institut für Höhere Studien (IHS). Die Erhebungen des IHS legten nämlich nahe, dass die gröbsten Finanzprobleme gerade bei den über 24-Jährigen gegen Ende des Studiums oder bei Selbsterhaltern auftreten, die naturgemäß in der Regel auch zu den Älteren gehören. Im Sinne der Devise vom Life-Long-Learning müsse man sich bei künftigen Reformen noch stärker auf die sozial abgesicherte Bildungsbeteiligung älterer Studierender fokussieren, rät Dibiasi im STANDARD-Gespräch.

Versuchen macht klüger

Doch selbst bei den Jüngeren kann die Erhöhung nicht einmal den realen Wertschwund der Studienbeihilfe seit der letzten Anpassung im Jahr 2017 vollständig kompensieren. Der Anstieg des Preisniveaus von damals bis heute beträgt insgesamt mehr als 13 Prozent. Wenn die Inflation auch nur annähernd auf dem aktuell hohen Niveau bleibt, wird die Kaufkraft der Studienbeihilfe rasch sinken und bald erneute Rufe nach einer nominellen Erhöhung ertönen lassen – mit ungewisser politischer Reaktionszeit. Im Unterschied zum Pflegegeld, das seit 2020 jährlich an die Inflation angepasst wird, gibt es bei der Studienförderung nämlich weiterhin keine Kopplung an das Preisniveau. Die Regierung spart damit zwischen den sporadischen Erhöhungen bei den Studierenden ein, anstatt konstante Kaufkraft zu garantieren.

Kenner des Systems weisen allerdings auch darauf hin, dass ein nicht unerheblicher Teil der budgetierten Summe von Studierenden gar nicht erst abgeholt wird. Sprich: Manche haben aufgrund ihres familiären und sozialen Hintergrunds eigentlich Anspruch auf die staatliche Unterstützung, stellen aber keinen Antrag und lassen sich somit das Geld entgehen. Dabei kann eine Antragstellung gewiss nicht schaden, selbst wenn die behördliche Prüfung ergeben sollte, dass man keinen Anspruch hat. Dann sieht man immerhin am negativen Bescheid schwarz auf weiß, wie viel die eigenen Eltern wirklich verdienen. (Theo Anders, 5.5.2022)