Vorbildhaft: STANDARD-Mobilitätsexperte Guido Gluschitsch korrekt behelmt am Pedelec.

Foto: Wolf-Dieter Grabner

Wien – Mit Verweis auf die Unfallzahlen aus dem Jahr 2021 tritt das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) für eine Helmpflicht für Pedelecs, also E-Bikes mit einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h, ein. Derzeit würden nur 57 Prozent aller E-Bikerinnen und E-Biker im Straßenverkehr Helm tragen. Zu wenig, wie KfV-Experte Klaus Robatsch angesichts der Unfallstatistik befindet: "Der Anstieg der Verletzten ist bei E-Bikes deutlich höher als bei mit Muskelkraft betriebenen Fahrrädern. Zwischen 2018 und 2021 ist die Anzahl an verletzten E-Bikern um 153 Prozent gestiegen – die von herkömmlichen Fahrrädern im selben Zeitraum lediglich um 14 Prozent."

Mehr als 9.600 E-Bike-Fahrerinnen und -Fahrer haben sich gemäß den Radunfalldaten der KFV Injury Database (IDB) im Jahr 2021 so schwer verletzt, dass eine Behandlung im Krankenhaus notwendig wurde. 22 der 48 polizeilich erfassten tödlichen Radunfälle im vergangenen Jahr ereigneten sich mit Elektrofahrrädern – wobei die Ursachen für die gestiegenen Unfallzahlen vielschichtig sind, wie der KfV einräumt.

Höheres Durchschnittsalter, weniger Übung

Auffällig sei, dass E-Bikerinnen und E-Biker durchschnittlich älter sind – ein Drittel der mit Pedelecs Verunfallten war über 65 Jahre alt. Die höhere Geschwindigkeit und das höhere Gewicht des Rades überforderten viele, vor allem ungeübte Radlerinnen und Radler. Davon zeuge, dass viele der E-Bike-Unfälle sogenannte Alleinunfälle ohne Beteiligung Dritter sind.

Trotzdem, so die Position des KfV, würden nur 57 Prozent der E-Bikerinnen und E-Biker einen Helm tragen. Das sei zwar mehr als bei nicht elektrisch unterstützten Fahrrädern, aber aus Präventionssicht trotzdem noch zu wenig, sagt Robatsch. Nur für Kinder bis zwölf Jahre gilt eine allgemeine Helmpflicht. "Wir fordern deshalb eine allgemeine Helmpflicht für E-Bike-Fahrende – eine einfache, aber effiziente Maßnahme, um schweren Kopfverletzungen im Falle eines Unfalls oder Sturzes vorzubeugen", so Robatsch. In Kombination mit Verbesserungen in der Radinfrastruktur hätte das eine nachhaltige positive Beeinflussung des Radunfallgeschehens zur Folge.

VCÖ und Radlobby gegen Helmpflicht

Beim Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sieht man die Forderung des KfV hingegen kritischer. VCÖ-Sprecher Christian Gratzer verweist darauf, dass "der Helm keinen Unfall vermeidet". Wenn man die tödlichen Unfälle mit E-Bikes betrachte, so hätten viele der Verunglückten ohnehin Helm getragen. Um Radfahren sicherer zu machen, bedürfe es daher in erster Linie besserer Infrastruktur, sagt Gratzer: "Man muss passende Rahmenbedingungen schaffen, damit weniger Unfälle passieren." Eine Helmpflicht – "Fahrradhelme werden zudem oft falsch aufgesetzt" – sieht er nicht als Lösung, sondern verweist stattdessen auf unfallvermeidende Maßnahmen, die mehr zur Sicherheit beitragen würden.

Auch bei der Radlobby Österreich wird die KfV-Forderung nicht unterstützt, wie Sprecher Roland Romano erklärt: "Wir stehen für die freie Wahl ein. Jede und jeder soll selbst entscheiden, ob er oder sie Helm tragen will." Eine gesetzliche Pflicht dazu hält man für kontraproduktiv, vor allem hinsichtlich des Zieles, den Radverkehrsanteil zu steigern. "Der Aufwand, eine solche Pflicht umzusetzen und zu kontrollieren, steht nicht dafür", sagt Romano.

Helmpflicht als Hemmschuh für Radverkehr

Pedelecs seien das Kernelement in der E-Mobilitätswende und daher sollte man nicht mit überbordenden gesetzlichen Regelungen, den Umstieg erschweren, so die Position der Radlobby. In Australien, wo 1991 eine allgemeine Helmpflicht für Radler eingeführt wurde, habe sich gezeigt, welch negative Auswirkungen dies auf den Radverkehrsanteil hatte. 1993 hatte sich der Anteil n Radfahrenden halbiert.

In der Schweiz vertritt Pro Velo beispielsweise die Position, dass Maßnahmen, die Menschen vor anderen Verkehrsteilnehmern schützen, als prioritär gegenüber Zwangsmaßnahmen des Selbstschutzes einzustufen seien. Daher lehnt man auch dort eine Helmpflicht ab. Dennoch stieg die Helmtragequote – auf freiwilliger Basis – von etwa zwei Prozent im Jahr 1987 auf 39 Prozent im Jahr 2006. Beim Vergleich mit den Fahrradunfallzahlen konnte keine positive Wirkung durch das Helmtragen festgestellt werden, verweist man seitens der Radlobby auf die Erfahrungen aus dem Nachbarland. (Steffen Arora, 4.5.2022)