Auf neue Folgen von "Winning Time –The Rise of the Lakers" muss man jede Woche warten.

Foto: HBO / Sky
  • Immer mehr Streamingplattformen spielen Serien wöchentlich aus. Binge-Watchen ist dort erst nach dem Ende einer Staffel möglich. Für viele Zuschauerinnen und Abokunden ist das ein großes Ärgernis. Sie wollen selbst bestimmen, wann und wie viel sie von einer Serie schauen.
  • Alles muss raus, heißt es bei Netflix. Der Streamingriese spielt in der Regel alle Folgen zum Starttermin aus. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Sky zeigt seine Originals wie Der Pass und Das Boot auf einmal. Wöchentliche Ausstrahlung wird nur von Lizenzpartnern – etwa HBO – übernommen. RTL+lässt eigenproduzierte Stoffe über Sisi und Wirecard auf einmal vom Stapel.
  • Häppchenweise serviert Apple TV+ Premiumcontent, zuletzt etwa Shining Girls. Disney+ verfährt ähnlich, meist weil Inhalte von hauseigenen TV-Sendern wie ABC oder Hulu bezogen werden. HBO Max spielt überhaupt nur noch wöchentlich aus. Amazon Prime entscheidet von Fall zu Fall. (prie)

DAFÜR
von Doris Priesching

David Simon hat wieder eine Serie gemacht. Sie heißt We Own this City, und der geniale Erfinder von The Wire ist nach Baltimore, an den Ort seiner besten Serie, zurückgekehrt. Was machen gelernte Serienschauerinnen und Binge-Watcher in so einem Fall? Sie decken sich mit Salzgebäck und Kaltgetränken ein, setzen oder legen sich vor den Bildschirm – in froher Erwartung, die nächsten Stunden in dieser Position zu bleiben.

Nicht so bei We Own this City. Sky spielt die Serie wie der produzierende Kabelsender HBO (Warner) nur einmal pro Woche auf seiner Streamingplattform HBO Max aus. Dann heißt es warten. Ebenso der Fall ist das derzeit etwa bei The Gilded Age, ebenfalls bei Sky von HBO Max, aber auch bei Winning Time: The Rise of the Lakers Dynasty und Shining Girls von Apple TV+. Das Buch von Boba Fett gab es bei Disney+ im Wochenrhythmus, genau gleich wie LOL bei Amazon. Binge-Watchen, das von Netflix ins Leben gerufene und kultivierte Angebot, sich eine Serie in einem reinzuziehen, ist längst nicht mehr Normalfall. Immer mehr wenden sich davon ab.

Es gibt Schlimmeres. Warten erhöht die Spannung. Seit Twin Peaks wissen wir, dass es nichts Süßeres gibt als die Vorfreude auf die nächste Folge. Mit Serien verhält es sich wie mit Genussmitteln: In zu großer Menge konsumiert, führen sie zu Völlegefühl und Blähbauch. Nur in Maßen genossen, verbessern sie geistige und körperliche Befindlichkeit.

Kunden anlocken

Wir werden uns daran gewöhnen müssen. Die Hauptursache für die Rückkehr zum Weekly ist, dass es immer mehr Streaminganbieter gibt. Die halten nach Inhalten für ihre Plattform Ausschau. Mit Eigenproduktionen wird versucht, Kunden anzulocken. Was immer selbst produziert wird, gelangt nicht mehr auf den freien Markt. Den ganzen Reichtum auf einmal auszuspielen macht da wenig Sinn. Es gibt ja noch so viel zu sehen. Eben stellt Disney+ alle Staffeln von Malcolm mittendrin ins Regal. Nichts wie hin!

DAGEGEN
von Bettina Pfluger

Ich kann mich noch gut an meine Jugend erinnern. Wenn eine Staffel der aktuellen Lieblingsserie zu Ende war, musste ich oft ein halbes Jahr auf die nächste Staffel warten. Das war eine lange Zeit. Als das Kabelfernsehen in unseren Haushalt eingezogen ist, gab es zumindest ausreichend Alternativen bis zur nächsten Season.

Alternative Lebenswelt

Nicht mehr warten zu müssen ist einer der Vorteile an Streamingdiensten. Binge-Watching bringt einen locker durch ein verregnetes Wochenende oder durch die ein oder andere Lebens- und Sinnkrise. Sich jeden Abend ein oder zwei Folgen einer Serie anzuschauen – oder bis Mitternacht in eine alternative Lebenswelt einzutauchen – ist ein normaler Luxus geworden. Im Freundeskreis ist eine der meistgestellten Fragen mittlerweile jene, welcher Serie man gerade verfallen ist.

Dass man auch bei Streaminganbietern auf die nächste Staffel warten muss, ist nicht schlimm – es erhöht die Spannung, und es gibt ja Alternativen. Dass die Folgen einiger Serien nun aber wöchentlich ausgestrahlt werden, geht gar nicht. Das widerspricht in meiner Welt den Vorteilen und der Grundidee der Film- und Serienportale.

Ein Leidensfall ist Designated Survivor. Als ich begann, die Karriere von Tom Kirkman (Kiefer Sutherland) als US-Präsident zu verfolgen, waren zwei Staffeln schon online. In der dritten Staffel kam die wöchentliche Serienausstrahlung auf mich zu. Unwohlsein setzte ein. Jetzt muss ich daran denken, wann ich die nächste Folge abrufen kann. Es kam, wie es kommen musste: Ich habe darauf vergessen, dranzubleiben, und weiß leider (noch) immer nicht, wie es mit Kirkman und allerlei Verschwörungen weitergegangen ist.

Doch jetzt wäre eine gute Gelegenheit aufzuholen. Alle zehn Folgen sind mittlerweile verfügbar. Das Wetter findet ohnehin keinen stabilen Frühlingsmodus. Da steht einem Designated-Binge nichts mehr im Wege. Popcorn und Nachos sind daheim ohnehin immer vorrätig. Couch und TV ... ich komme! (5.5.2022)