Was, du magst Helden? Kriegshelden? Fragt die junge Feministin, einigermaßen entsetzt. Der Krieg in der Ukraine und der Umgang mit ihm haben auch im politischen Diskurs in der Öffentlichkeit bis in private Freundeskreise hinein Verwirrung und Ratlosigkeit ausgelöst. Praktisch alle verurteilen die russische Aggression. Aber die Frage, wie weit die Hilfe für die ukrainischen Verteidiger gehen soll, spaltet die Gesellschaft. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist ein Reibebaum.
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Sollen die Deutschen schwere Waffen an die Ukraine liefern? Nein, sagten viele honorige deutsche Intellektuelle in einem sogenannten Prominentenbrief an die deutsche Regierung. Das wäre eine Einmischung eines Nato-Landes in den Konflikt und ein Argument für Wladimir Putin, den Krieg zu eskalieren, womöglich bis zum Einsatz von Atomwaffen. Wollt ihr einen dritten Weltkrieg riskieren, fragen die Briefschreiber. Die Stellungnahmen der Gegner waren und sind nicht weniger leidenschaftlich. Die Ukrainer alleinlassen? Zuschauen, wie die Verteidiger gnadenlos abgeschlachtet werden? Sich gemütlich zurücklehnen, während andere für die europäischen Werte von Freiheit und Unabhängigkeit leiden und sterben?

Österreich ist weniger unmittelbar betroffen, aber auch hier tobt die Debatte – in den Leserbriefspalten der Zeitungen, in den sozialen Medien, an den Stammtischen und beim Familienessen. Beide Seiten müssen nachgeben, auch die Nato hat Fehler gemacht, ein Kompromiss muss her, lautet die eine Sprachregelung. Geht nicht, keine Relativierungen, die Schuld liegt klar bei Putin, lautet die andere.

Ehre und Vaterland

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist ein Reibebaum. Manchen gefällt seine "martialische Sprache" nicht und auch nicht seine Auftritte im olivgrünen Militär-Look. Auch die Begriffe "Nationalismus", "Hetze", "toxische Männlichkeit" fallen. "Er spielt den Helden." Er ist ein Held, sagen andere. Er riskiert jeden Tag sein Leben, er hat seinen Landsleuten ihren Stolz und ihre nationale Identität zurückgegeben. Und witzig ist er auch noch. Sein Sager: Er brauche keine Mitfahrgelegenheit, er brauche Munition, ist mittlerweile zum Klassiker geworden.

Längst ist die Diskussion rund um die Ukraine auch zu einer grundsätzlichen moralischen Frage geworden, die jeden angeht. Sind Begriffe wie Ehre und Vaterland noch zeitgemäß? Soll man für eine Sache, die man für gerecht hält, kämpfen, auch auf scheinbar verlorenem Posten? Ist es besser, ehrenvoll unterzugehen, als schmachvoll weiterzuleben? Die Gegenposition: Die Ukrainer sollen auf einen Teil ihres Territoriums verzichten und Ruhe geben. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Menschen müssen sterben.

Im Fernsehen war vor kurzem ein Soldat im belagerten Asow-Stahlwerk zu sehen, der erklärte: Das sind vermutlich die letzten Tage oder die letzten Stunden unseres Lebens. Aber wir werden uns nicht ergeben. Ist dieser junge Mann, wenn er noch lebt, ein Held? Ja. Hat er recht? Da beginnt die Diskussion von neuem. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 5.5.2022)