Vor 70 Tagen marschierten russische Truppen in die Ukraine ein und zerstörten damit abertausende Existenzen. Die folgende Fluchtbewegung erreichte in Teilen auch Österreich, wo die ankommenden Menschen vielfach von engagierten Privatmenschen und NGOs empfangen wurden.

Unter diesen höchst lobenswerten Vertretern einer wachen Zivilgesellschaft macht sich in den vergangenen Wochen nun zunehmend Unmut breit. Sie und ihre Schützlinge würden von Staat und Behörden alleingelassen, heißt es. Gleichzeitig melden sich immer mehr Ukraine-Flüchtlinge bei NGOs, weil sie sich im österreichischen Bürokratiedschungel verheddert haben und nicht mehr weiterwissen.
Das ist mehr als eine bedauerliche Entwicklung. Die Entmutigung Vertriebener und ihrer Helfer weist vielmehr auf grundlegende Probleme von Staat und Behörden im Umgang mit dem Ukraine-Exodus hin: Das Grundversorgungssystem, das auch den Vertriebenen offensteht, ist in zentralen Punkten für sie ungeeignet.
Ausgestaltet wurde es, um der ursprünglichen Klientel, grundversorgten Asylwerbern, jede auch nur arbeitsähnliche Betätigung zu verunmöglichen. Nun soll es Ukraine-Flüchtlingen dienen, die mit ihrer Vertriebenenkarte auf den Arbeitsmarkt streben sollen. Dieses System zu ändern ist kompliziert – und das ist riskant. Hoffentlich dauert es nicht länger, als die Geduld der freiwilligen Helferinnen währt. (Irene Brickner, 4.5.2022)