Die EU will schlagkräftiger werden.

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Die Europäische Union mit ihrem Fachlatein von A wie "Acquis communautaire" bis Z wie "Zustimmungsverfahren" gilt bekanntlich vielen als eher spröde Materie, bei der es für die meisten nicht allzu viel zu lachen gibt. Roman Haider, seines Zeichens FPÖ-Mandatar im EU-Parlament, gehört nicht zu diesen Menschen. Die sogenannte Zukunftskonferenz, bei der sich nun ein Jahr lang Bürgerinnen und Bürger Gedanken über den Zustand der Union und ihren Ausbau gemacht haben, ist für ihn nichts anderes als ein "Witz". Lachen kann er darüber trotzdem nicht.

Bei einem Pressegespräch am Donnerstag machte der Oberösterreicher seinem Ärger Luft. Die 325 Vorschläge, die aus dem Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligungsverfahren in ganz Europa am Ende zusammengetragen wurden und unter anderem ein Ende des umstrittenen Einstimmigkeitsprinzips sowie länderübergreifende Wahllisten vorsehen, entstammen für ihn allesamt der "Mottenkiste des Zentralismus". Überhaupt sei die Organisation mehr als lausig gewesen, schließlich, so Haider, seien nicht etwa Herr und Frau Europäer befragt worden, wie man sich die Zukunft der EU vorstelle, sondern vorausgewählte "Aktivisten" und "proeuropäische Fanatiker".

"Politshow"

Am Ende, so der FPÖ-Mann, der selbst an der Konferenz teilgenommen hat, bleibe von der großen Idee nicht viel mehr als eine "Politshow", die "Bürgerbeteiligung nur vortäuscht". Kritische Meinungen bezüglich eines "europäischen Zentralstaates" seien bei der Konferenz nicht erwünscht gewesen, sagte er.

Die anderen vier Abgeordneten, die sich der Presse stellten, sahen das Ergebnis der Konferenz deutlich positiver. Gerade die aktuell multiplen Krisen, etwa jene in der Ukraine, die Pandemie oder nun die Inflation, täten das Ihre dazu, dass man sich zwischen Tarifa und Rovaniemi mehr denn je eine "funktionierende" EU wünsche, die sich den neuen Gegebenheiten anzupassen versteht. Traurig zeigte sich SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder lediglich ob des fehlenden Abschlussdokuments, dies sei "bezeichnend".

Die Vorschläge der Europäerinnen und Europäer sollten nun gleichwohl in ein Konvent über eine europäische Vertragsreform fließen, hofft der ÖVP-EU-Abgeordnete und EP-Vizepräsident Othmar Karas: "Sonst haben wir Lehren aus diesen Krisen nicht gezogen." Die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips im Rat bei den so heiklen Themen Außen-, Sicherheits- und Steuerpolitik gehört zu den Forderungen, die auf großen Konsens stoßen. Dieses sei schließlich undemokratisch und passe nicht mehr in die Gegenwart. "Niemand soll Entscheidungen noch blockieren können", meint Karas.

"Größerer Erfolg als erwartet"

Österreich könne sich dem nicht verschließen, sagte Neos-Abgeordnete Claudia Gamon. "Wir werden die Bundesregierung in die Pflicht nehmen, dass Österreich aufseiten der Reformpolitik in der EU sein muss und mit anschiebt." Insgesamt, so waren sich die Vertreterinnen und Vertreter von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos einig, sei die nun am Montag offiziell zu Ende gehende Zukunftskonferenz ein "größerer Erfolg geworden, als wir erwartet haben". Gewisse Dinge funktionierten schließlich schlechter, wenn man nicht mit der Zeit gehe, sagte Gamon. Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten sich vor allem, dass "die EU einfach funktioniert".

Die Europaabgeordnete Monika Vana von den Grünen gab aber zu bedenken, dass man bei der Umsetzung der insgesamt 325 Vorschläge darauf achten müsse, sich nicht zu übernehmen. Eine Vertragsreform sei "eine hohe Hürde", da sie einen Konsens brauche und zudem von allen Staaten ratifiziert werden müsse. Wie viel von den ehrgeizigen Ideen über bleibt, hänge nun davon ab, wie viel Arbeit man in der EU in ihre Umsetzung investiere, sagte Gamon: "Von nichts kommt nichts." (flon, 5.5.2022)