Unter der Prämisse, dass sie anonym bleiben, haben Alleinerziehende über ihre Situation gesprochen.

Foto: Regine Hendrich
Foto: : Regine Hendrich

Blumen und Gedichte müssen es tun. Denn die Gleichstellung zwischen Müttern und Vätern, zwischen Alleinerziehenden und Paaren mit Kindern lässt auf sich warten. In Österreich gibt es 270.000 Alleinerziehende. Mehr als acht von zehn sind Frauen, die in vielerlei Hinsicht auf sich allein gestellt sind. Sie tragen die volle Verantwortung, richten sich sieben Tage die Woche nach ihrem Kind, oft ohne Hilfe, meist ohne Ausgleich. Sie haben den Druck, in der Erziehung alles richtig zu machen, und müssen dabei mit sämtlichen Problemen selbstständig fertigwerden. Wohl auch deshalb sind sie deutlich unzufriedener als verheiratete Eltern, wie eine Befragung des Deutschen Sozioökonomischen Panel zeigt.

Alleinerzieherin sein bedeutet häufig auch, mit ständigen Geldsorgen zu leben. Neue Zahlen zeigen, dass knapp die Hälfte der Menschen, die in Ein-Eltern-Haushalten leben, von Armut und sozialer Ausgrenzung gefährdet sind. Das betrifft Kinder und vorwiegend Mütter. Ein Grund dafür ist, dass Alleinerziehende überdurchschnittlich hohe Ausgaben für ihr Kind haben. Die Familienleistungen wie Familienbeihilfe und Familienbonus würden diese Kosten nicht einmal annähernd abdecken, so die Caritas. Zwischen dem, was ausbezahlt wird, und dem, was gebraucht wird, bestehe bei Alleinerziehenden eine Differenz von 1.029 Euro im Monat.

Die Caritas fordert daher unter anderem eine Evaluierung der Familien- und Sozialleistungen auf ihre Armutsfestigkeit. Eine EU-weite Untersuchung zeigt, dass sich das Armutsrisiko in diesen Familien zwischen 2008 und 2019 sogar erhöht hat, während es in anderen gesunken ist.

Vier Mütter haben uns von ihrer Situation und ihren Sorgen erzählt. Sie sprachen darüber, wie es ist, ein Kind allein großzuziehen, wie knapp das Geld ist – und was sie sich von der Politik wünschen.


"Wir haben uns da rausgekämpft":
Maria W. bekommt für ihren Sohn monatlich 16 Euro Unterhalt

Mein Sohn war elf Monate alt und meine Tochter fünf Jahre, als ihr Vater ins Gefängnis kam. Dann musste ich monatelang auf den Unterhaltsvorschuss warten. Dieser kam dann regelmäßig und in einer konstanten Höhe. Als er freikam, schwankten die Beträge; teilweise bekam ich bis zu ein halbes Jahr gar kein Geld. Das war existenzbedrohend, da ich zu dem Zeitpunkt noch in Karenz war.

Viele Jahre später wurde der Vater abgeschoben, was ich schon länger befürchtet hatte. Schließlich erhielt ich die Nachricht über die Höhe des Unterhaltsvorschusses, den wir teilweise bis heute bekommen: Es sind für meinen heute 14-jährigen Sohn 16 Euro pro Monat. Meine in Ausbildung befindliche 18-jährige Tochter bekommt keinen Unterhaltsvorschuss mehr. Für die Berechnung wird das Durchschnittseinkommen des Landes herangezogen, in dem der Vater lebt. Damit kommen wir "super über die Runden" (lacht). Das ist eine grobe Lücke im Unterhaltsvorschussgesetz, von der viele nichts wissen. Der Unterhaltsvorschuss müsste an die Lebensverhältnisse des Landes angepasst werden, in dem die Kinder leben.

Es bräuchte auch endlich eine Unterhaltsgarantie, einen fixen Betrag, mit dem Ein-Eltern-Familien und ihre Kinder rechnen können. Diese unsichere und schwierige Situation hat mich sehr mitgenommen, aber: Wir haben uns da rausgekämpft. Mittlerweile ist wieder etwas Ruhe in unser Leben gekommen. Als der Unterhalt de facto wegfiel, konnte ich glücklicherweise meine Arbeitszeit aufstocken. Als die Kinder kleiner waren, war es aber schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. Als meine Tochter kleiner war und eine Zeitlang öfter Atemwegserkrankungen hatte, musste ich für ihre Pflege auch Urlaube in Anspruch nehmen, der Pflegeurlaub ist schnell aufgebraucht. Es gab immer dieses Zerrissensein zwischen Arbeit und Kindern.

Seit der Abschiebung des Vaters meiner Kinder vor drei Jahren habe ich insgesamt über 10.000 Euro an Unterhaltsvorschüssen verloren. Das sind ungefähr 300 Euro pro Monat, die uns sehr fehlen. Die Hälfte meines Nettoeinkommens brauche ich allein schon für die Miete, die Wohnbeihilfe macht 36 Euro aus – die Miete ist aber seit Jänner dieses Jahres um 34 Euro teurer geworden. Ganz zu schweigen von all den anderen Teuerungen. Die Bemessungsgrundlagen für Unterstützungen erhöhen sich aber nicht.

Ich habe mich schon an diverse Stellen mit meinem Anliegen gewandt – es kamen kaum Reaktionen. Man fühlt sich ohnmächtig, von der Politik alleingelassen und, da Alleinerziehende keine Lobby hinter sich haben, auch völlig ungesehen.


"Mit 200 Euro mehr hätten wir das beste Leben":
Teresa R. zieht ihren Vierjährigen allein groß

Meinen Sohn Leon zu bekommen war eine bewusste Entscheidung und ohne Zweifel die beste meines Lebens. Sein Vater und ich kannten uns erst vier Monate, als ich schwanger wurde. Er hat mich damals überrascht, indem er sagte, er liebe mich und will dieses Abenteuer mit mir gemeinsam leben. Dann war er allerdings schnell überfordert.

Er war stetig eifersüchtig auf Leon, und oft war es für mich, als ob ich zwei Kinder hätte. Es gab auch sexuelle Übergriffe, die in einer Vergewaltigung gipfelten, und ich hatte schließlich einen psychischen Zusammenbruch. Aus Angst, es nicht allein zu schaffen, habe ich mich zu oft dafür entschieden, es weiter mit ihm zu versuchen. Mittlerweile sind wir jedoch getrennt und haben gelernt, miteinander umzugehen, unserem Sohn zuliebe.

Um mehr Zeit für Leon zu haben, arbeite ich "nur" 30 Stunden pro Woche als Pflegeassistentin in einem Krankenhaus. Leon geht bis 15 Uhr in den Kindergarten. Ich kann mir die Betreuung bis 17 Uhr nicht leisten, und es wäre mir auch irgendwie zuwider, dass er so lange dortbleibt. Der Kindergarten ist toll, aber Leon ist wie ich am liebsten zu Hause. Das kommt vielleicht auch daher, dass er eine Immunschwäche und eine Lungenerkrankung hat, die ihn öfter als Gleichaltrige krank werden lassen.

Unsere finanzielle Situation ist schwierig. Sein Vater zahlt Unterhalt, aber wegen eines Umzugs und der Teilzeitanstellung bin ich am Ende des Monats meist im Minus. Wegen der gestiegenen Heizkosten habe ich angefangen, die Temperatur in der Wohnung zu reduzieren. Manchmal spielen wir, wer mehr anhat oder wie viele Socken wir über einen Fuß bekommen. Wenn Kleidung zu klein wird und ich sie nicht sofort ersetzen kann, springen zum Glück meine Eltern ein.

Ohne sie könnte ich auch nicht arbeiten. Wir wohnen nahe beieinander, und wenn ich um drei viertel sieben im Krankenhaus sein muss, schläft Leon bei ihnen. Wenn ich heimkomme, schnappe ich unseren Hund und hole Leon ab. Bis er schläft, bin ich für ihn da. Wir spielen, ich lese ihm vor, mache uns noch etwas zu essen. Wir putzen Zähne, kuscheln und erzählen einander von unserem Tag.

Ich sage immer: Mit zwei- oder dreihundert Euro mehr im Monat hätten wir das beste Leben. Dann könnte ich Kleidung selber bezahlen und mir Arbeitsschuhe kaufen, wenn meine durchgelaufen sind.

Aber ich verzweifle nicht. Leon ist toll. Er hat den Wortschatz eines belesenen Erwachsenen, weiß als Weltraumfan über unser Sonnensystem Bescheid und hat eine fast schon unheimliche Begabung zur Empathie.


"Er wollte, dass ich abtreibe":
Eine Frau über die schwierige Beziehung zum Kindesvater

Ich habe mich gefreut, als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin – auch wenn es ungeplant war. Mir haben immer wieder Ärzte gesagt, dass es für mich auf natürlichem Wege nicht so leicht sein wird, ein Kind zu bekommen. Mein Partner jedoch wollte kein Kind. Als ich ihm von der Schwangerschaft erzählt habe, wollte er, dass ich abtreibe. Als ich mich weigerte, trennte er sich. Ich habe ihm aber gesagt, dass das vollkommen okay für mich ist, dass ich mich gerne selbstständig und allein um das Kind kümmere. Das Einzige, was ich von ihm gefordert habe, war, dass er seinen finanziellen Pflichten nachkommt. Leider hat er uns irgendwann im Stich gelassen, und ich musste den Unterhalt über das Jugendamt einklagen. Das war ein Prozedere, das sich über mehrere Monate zog. In dieser Zeit haben wir kein Geld bekommen – bis dann der Bescheid vom Gericht kam, dass uns der Unterhalt ausbezahlt wird.

Und auch wenn mein Ex-Partner kein aktiver Vater sein wollte, hätte ich mir gewünscht, dass er seinen Sohn zumindest ab und zu sieht. Ein Kind sollte ja zu beiden Eltern eine Beziehung haben. Leider war er daran lange nicht interessiert. Weder hat er sich zu den Geburtstagen gemeldet noch zu irgendwelchen anderen Anlässen. Er wollte nie wissen, wie es dem Kleinen geht, hatte Ausreden, wieso er es nicht schafft. Eine Einladung zum Geburtstag sagte er wegen eines Städtetrips mit seiner Lebensgefährtin ab. Umso überraschender war es für mich, als er letztes Jahr ein Besuchsrecht einklagte. Ich vermute, dass es ihm weniger darum geht, ein Verhältnis zu seinem Kind aufzubauen, als darum, mich zu "bestrafen", dass ich bei der Entscheidung für das Kind nicht auf ihn Rücksicht genommen habe. Das Gericht sprach ihm das Besuchsrecht zu. Für mich eine perfide Entscheidung. Ein Kleinkind kann doch nicht einfach in die Obhut eines für ihn quasi Fremden gegeben werden?! Ich bin der Meinung, dass das nicht zum Wohle meines Sohnes ist.

Leider hat mein Ex-Partner nie verstanden, dass der Kontakt mit einem Kind eine gewisse Regelmäßigkeit braucht. Man kann einander nicht wochenlang nicht sehen – und dann erwarten, dass man eine Beziehung zu dem Kind hat und es einfach mit einem mitgeht. Aktuell versuche ich, die Situation anzunehmen, wie sie ist, und Frieden damit zu schließen. Dieses ewige Hin und Her ist mir lange Zeit massiv an die Psyche gegangen, ich habe auch stark abgenommen. Mittlerweile habe ich mich wieder gefangen, auch weil ich gut für meinen Sohn da sein will.


"Wir haben um jeden Cent gekämpft":
Marina K. kümmert sich allein um ihr chronisch krankes Kind

Mir wurde klar, dass ich mein Kind allein großziehen muss, als ich dem Vater sagte, dass ich schwanger bin. Als meine Tochter auf die Welt kam, brauchte sie gleich einen künstlichen Darmausgang, es wurden noch weitere Operationen in ihrem ersten Lebensjahr. Ich war allein mit alldem, mit den medizinischen Fragen, mit allen Entscheidungen war ich allein. Ich habe mich dann vom Vater meiner Tochter getrennt. Anfangs habe ich noch versucht, Alimente zu bekommen, irgendwann musste ich aber das Jugendamt einschalten. Seitdem erhalte ich Unterhaltsvorschuss. In den ersten Jahren konnte ich nur sehr reduziert arbeiten.

Marina K.: "Ich musste kämpfen, dass ich einen Pflegedienst bekomme, der sich kümmert, damit ich zumindest teilweise wieder arbeiten kann."
Foto: : Regine Hendrich

Mit drei Jahren kam Laura in den Kindergarten, und sie bekam eine Tagesmutter, ich konnte dann eine Ausbildung im Sozial- und Pflegebereich machen. Eine großartige Betreuerin vom Jugendamt hat mich sehr unterstützt, etwa wie wir Strom sparen können und Beihilfen bekommen. Ich habe zwar gearbeitet, aber gerade die ersten Jahre musste ich meine Stunden massiv reduzieren. Es war immer knapp, und ich musste genau überlegen, was ich unbedingt jetzt zahlen muss und was sich noch aufschieben lässt. Wir haben um jeden Cent gekämpft. Es braucht für Kinder mit Behinderung oder mit einer chronischen Erkrankung deutlich mehr Unterstützung und Kinderbetreuung – die hatte ich nicht. Im Nachhinein denke ich, es wäre besser gewesen, länger bei meinem Kind daheim zu bleiben.

2019, als wir dachten, wir hätten die Krankheit überstanden, hatte meine Tochter drei Darmverschlüsse mit teils zehnstündigen OPs. Obwohl sie schon immer krank war, zieht es dir da die Schuhe aus. Ich war dann selbst über ein halbes Jahr im Krankenstand, es war ein absoluter Ausnahmezustand. Ich musste kämpfen, dass ich einen Pflegedienst bekomme, der sich kümmert, damit ich zumindest teilweise wieder arbeiten kann. Ich kann sie derzeit nicht allein lassen. Ich dachte zwischenzeitlich, es wird wieder. Dass meine Tochter und ich unabhängiger voneinander werden können. Ich wollte mein Kind in das Erwachsenenalter entlassen, die natürliche Abnabelung zulassen. Durch ihre vielen Darmverschlüsse und noch andere, neue Krankheiten geht das leider nicht – ich hoffe, Sie verstehen, wie ich das meine.

Hätte ich nachgelassen, hätte man mir mein Kind weggenommen. Sicher, Gefühle kann man nicht erzwingen, aber es wird den Vätern oder den Müttern, die nicht beim Kind sind, schon sehr leicht gemacht, das ist eine große Ungerechtigkeit. Auch sie sollen die Pflicht haben, für ihr Kind da zu sein. Es soll nicht nur darum gehen zu zahlen. (Lisa Breit, Beate Hausbichler, 6.5.2022)