Wien – In Zeiten von Homeoffice und Social Distancing stieg die Internetnutzung weltweit stark an, so auch in Österreich. Probleme im vermeintlich "rechtsfreien Raum" gibt es damit noch mehr als bereits ohnehin schon. Vor allem Gewaltdarstellungen, Kinderpornografie und rassistische Inhalte stellen Behörden vor große Probleme. Die Entwicklung zeigt jedenfalls eine bedenkliche Tendenz: Laut Jahresbericht von Stopline, einem Projekt des Verbands Internet Service Providers Austria (Ispa), gab es vor allem im vergangenen Jahr einen starken Anstieg bei Fällen von sexuellem Missbrauch Minderjähriger und nationalsozialistischer Wiederbetätigung im Internet. Mehr als 43.000 Meldungen betreffend Kinderpornografie und NS-Ideologie gingen im Jahr an die Meldestelle Stopline ein. Im Vergleich: 2019 wurden gerade mal 9.000 Meldungen gezählt.

Nicht alle Meldungen, die von Internetnutzerinnen und Internetnutzern per Onlineformular an Stopline gesendet werden, sind automatisch strafbar. Bei mehr als der Hälfte handelt es sich um Erwachsenenpornografie, die die gesetzlichen Grenzen nicht überschreitet. Stellen Stopline-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter jedoch fest, dass es sich um strafrechtlich relevantes Material handelt, wird ein Verfahren in Kooperation mit der österreichischen Exekutive eingeleitet.

"Handlungsbedarf haben wir auf alle Fälle, wenn es sich um Kinderpornografie und Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie handelt", erklärt Stopline-Projektleiterin Barbara Schloßberger. Rund 8.000 Fälle – insgesamt ein Fünftel der eingegangenen Meldungen – fallen in den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs, beispielsweise von Erwachsenen ins Netz gestellte pornografische Inhalte von Personen unter 18 Jahren. Das ist ein neuer Rekord seit der Gründung der Meldestelle vor 23 Jahren.

Die Meldestelle Stopline setzt sich zum Ziel, Seiten mit Kinderpornografie und NS-Inhalten zu sperren.
Foto: imago/photothek/Thomas Koehler

Jene Meldungen, die als nationalsozialistische Wiederbetätigung strafbar sind, sind im Vergleich dazu gering, bloß 24 Fälle stellen verbotene Inhalte dar. Das betrifft jedoch nur Fälle, die tatsächlich strafbar nach dem Verbotsgesetz sind. Meldungen, bei denen Personen vermuteten, dass es sich um NS-Verherrlichung handelte, gab es aber rund 4.400. Antisemitisches und rassistisches Gedankengut werde laut Schloßberger an andere Behörden weitergeleitet, Hass im Netz und antisemitische Verschwörungstheorien sind gerade in der Corona-Pandemie ebenso auf dem Vormarsch.

Strafrechtliche Vergehen zu 50 Prozent nicht verfolgbar

Ein großes Problem: In 50 Prozent der Fälle ist das Ursprungsland nicht eindeutig identifizierbar. Darum ist es unmöglich, Straftäterinnen und Straftäter auszuforschen. "Erst wenn der Ursprung des Host-Providers bekannt ist, kann gehandelt werden", betont Schloßberger. Dann gebe es auch gute Aussichten, dass die entsprechenden Inhalte gelöscht werden können. Die meisten verfolgbaren Missbrauchsfälle lassen sich auf die Vereinigten Staaten und auf die Niederlande zurückführen. Das erklärt sich Schloßberger mit der gut ausgebauten IT-Infrastruktur der beiden Länder: "In beiden Staaten ist es recht einfach, illegale Inhalte über Provider zu verbreiten."

Ein einziger Fall ließ sich im vergangenen Jahr auf das Herkunftsland Österreich zurückverfolgen, "der Inhalt konnte dadurch binnen einer Stunde in Kooperation mit der Polizei entfernt werden", fügt Schloßberger hinzu. Sind die Inhalte auf ausländische Provider zurückzuführen, wird in Zusammenarbeit mit insgesamt 50 Partnerstellen in 46 Ländern gegen die Verantwortlichen vorgegangen. Rund zwei Drittel der strafrechtlich relevanten Inhalte, die aus einem anderen Land stammen, konnten binnen drei Tagen entfernt werden.

Vorsicht mit Kinderfotos

Ein kleiner Teil der Meldungen erscheint zwar für die Meldenden unpassend, wird jedoch nicht verfolgt. Darunter fallen beispielsweise Fotos von Kindern, die von der eigenen Familie hochgeladen werden. Oft sei es passiert, dass Bilder von wenig bekleideten Kindern im Netz kursieren, die von der eigenen Familie hochgeladen wurden.

Deshalb appelliert man bei Stopline an Eltern, einen vorsichtigen Umgang mit solchen Bildern zu wählen. Die Organisation Ispa, die sich den sicheren Umgang mit dem Internet zum Ziel setzt, stellt dazu Infobroschüren für Eltern zur Verfügung. Darin findet man Tipps, wie der richtige Umgang mit dem Internet gelingt und wie man dies auch Kindern vermitteln kann.

Unterstützung bekommen ebenso die zwei Stopline-Mitarbeiterinnen, die im vergangenen Jahr jeweils mehr als 20.000 Meldungen bearbeitet haben. Tagtäglich sind sie dafür zuständig, pornografische Inhalte zu durchforsten und zu beurteilen, ob es sich wirklich um kinderpornografische Darstellungen handelt. "Klar ist, dass die Überprüfung der gemeldeten Inhalte natürlich auch für unser Team sehr belastend sein kann. Deshalb bekommen unsere zwei Mitarbeiterinnen auch regelmäßig psychologische Unterstützung und können sich innerhalb unserer Partnerstellen mit anderen Personen regelmäßig austauschen", erläutert Schloßberger.

Rückgang der Meldungen wird nicht erwartet

Ein Rückgang der eingehenden Meldungen, die sexuellen Missbrauch und NS-Wiederbetätigung umfassen, wird für das Jahr 2022 nicht erwartet. Laut den Stopline-Verantwortlichen seien bereits rund 12.000 Missbrauchsfälle bei der Meldestelle eingegangen. "Seit 1998 wurden insgesamt 170.000 Meldungen registriert, und wir erwarten auch dieses Jahr wieder eine hohe Anzahl von Missbrauchsfällen im Internet", sagt Schloßberger. (Max Stepan, 5.5.2022)