Chen Reiss trat mit den Symphonikern im Konzerthaus auf und pries das himmlische Leben mit knabenhaftem Ton.

Foto: Paul Marc Mitchell

Wien – Der Mai macht bei den Wiener Symphonikern nicht alles neu, aber doch einiges. Nach Südkorea fliegt das Orchester nun mit Ex-Chef Philippe Jordan, weil dessen Nachfolger, Andrés Orozco-Estrada, im April ja bekanntlich die Fliege gemacht hat. Die vakanten Wiener Konzerte des Kolumbianers werden von Lionel Bringuier übernommen.

Dass Lahav Shani die Symphoniker in den Mai führt, war hingegen geplant. Nach einem üppigen Rachmaninow-Programm im Musikverein gab der ehemalige Erste Gastdirigent des Orchesters am Mittwoch im Konzerthaus erneut Spätromantisches. Mahlers vierte Symphonie präsentierte der Positivist in einem präzise geschnittenen, adretten, sommerleichten Interpretationsgewand; im ländlichen Ambiente waren swingende Heiterkeit und Idyllen ohne doppelten Boden angesagt.

Frisch, sorgsam, transparent

Die Symphoniker musizierten frisch, sorgsam, transparent; Chen Reiss pries im Finalsatz das himmlische Leben mit knabenhaftem Ton. Vor der Pause hatte die Sopranistin sechs ausgewählte Orchesterlieder von Richard Strauss mit schlanker, harmloser Stimme interpretiert. Am Beginn des Programms standen Drei Stücke aus der Lyrischen Suite für Streichorchester von Alban Berg. Die Symphoniker interpretierten die verklausulierte Liebesgeschichte erst tastend, dann fiebrig-expressiv. Nach der Lulu-Suite mit dem RSO und Joana Mallwitz erneut ein Werk des Schönberg-Schülers. Bravo! (sten, 5.5.2022)