Das Nordbahnviertel in Wiens zweitem Bezirk wird auch ein Hochhausviertel, und mit den Projekten Taborama (Strabag) und Leywand (KIBB) sind zwei Wohntürme mit freifinanzierten Eigentumswohnungen und Höhen von 60 bzw. 66 Metern auch bereits in Bau. Vier weitere kommen noch, einer davon wird die anderen um die Hälfte überragen und steht unmittelbar vor Baubeginn: "Schneewittchen" heißt er und wird von der Wino GmbH, einer Gesellschaft der Wiener-Städtischen-Gruppe, bis 2025 auf Baufeld 6b1 (Taborstraße 111) errichtet. Der 97-Meter-Turm ist ebenfalls ein freifinanziertes Projekt, auch wenn es die gemeinnützige EGW (auch eine Städtische-Tochter) abwickelt und die Wohnungen später auch verwalten wird.

"Schneewittchen" wird der höchste Turm im Nordbahnviertel.
Visualisierung: Bevk Perović Arhitekti

Der Name des von Bevk Perović Arhitekti geplanten Projekts mutet seltsam an, erklärt sich aber dadurch, dass acht Türme auf dem Areal vorgesehen waren; sieben mit 60 bis 80 Metern (die "Zwerge") und eines mit fast 100 Metern (eben "Schneewittchen"). Es werden nun aber nur fünf "Zwerge".

Modell "Preiswert"

Märchenhaft wird von oben wohl die Aussicht sein; ob auch die Mietpreise fabelhaft sind, wird sich weisen. Es handelt sich hier jedenfalls – ähnlich wie schon bei der "Wohnbauinitiative" – um ein Sonderprogramm, das sich Preiswerte Miete nennt und von der Stadt gemeinsam mit den Bauträgern im Nordbahnviertel erdacht wurde. Die Miethöhe ist zunächst gedeckelt, wobei Nettomieten von unter zehn Euro je Quadratmeter und unbefristete Mietverträge vorgesehen sind. Nach 20 Jahren darf bei Neuvermietung einer Wohnung eine Marktmiete verlangt werden. Drei Viertel der Wohnungen werden zwei oder drei Zimmer aufweisen, "es werden aber auch ein paar größere dabei sein", verspricht Christine Dornaus, Vorstandsdirektorin bei der Wiener Städtischen. Man versuche, "Erfahrungen aus der Pandemie" umzusetzen, also Platz für Homeoffice etc.

Direkt neben dem Turm wird auch ein Gebäude mit sechs Geschoßen und 32 Loftwohnungen von 50 bis 105 Quadratmetern errichtet, geplant von Studio Vlay Streeruwitz. Insgesamt wird die Städtische im Nordbahnviertel 14 Gebäude mit 1850 Mietwohnungen bauen, jeweils rund ein Drittel davon gefördert, freifinanziert und "preiswert". Die ersten davon werden gegen Jahresende fertiggestellt, abgeschlossen wird das Gesamtprojekt 2026.

Entwicklerrisiko bringt mehr Rendite

Warum investiert die Städtische-Gruppe in Stadtentwicklungsgebiete? Nun, das sei leicht erklärt, sagt Dornaus zum STANDARD: Man brauche eine gewisse Rendite, "um die Verpflichtungen auf der Versicherungsseite damit decken zu können", und die sei noch leichter zu erreichen, "wenn man das Entwicklerrisiko auf sich nimmt". Hochhäuser seien außerdem "effizient, was den Flächenverbrauch betrifft" – nur so habe die grüne Freie Mitte im Nordbahnviertel geschaffen werden können. "Und wenn die Substanz passt, dann sind Hochhäuser auch nachhaltig." Basis dafür sei "wertschaffende Architektur".

Rund 1,9 Milliarden Euro an Immobilienvermögen verwaltet die Gruppe, darunter sind viele Zinshäuser in Wien und den Landeshauptstädten, neuerdings aber auch ein Portfolio in den deutschen Städten Berlin, Leipzig, Halle und Dresden. Auch in Warschau erwarb die Gruppe kürzlich ein Wohngebäude mit 193 Einheiten, Baujahr 2017. Zinshäuser in Wien seien bei den aktuellen Kaufpreisen schon "Liebhaberei", sagt Dornaus. (Martin Putschögl, 7.5.2022)