Jedes siebente Kind kann ungenügend Deutsch, und 60 Prozent von ihnen sind in Österreich geboren: Der Befund aus Wiens Volksschulen ist alarmierend. Doch wer offenen Auges durch die Stadt geht, wird sich nicht zu sehr wundern.

Der Schick der Vorzeigegrätzeln, in denen sich autochthone Bobos mit Aufsteigern aus der Migrantencommunity mischen, übertüncht, dass in anderen Vierteln tendenziell bildungsferne Schichten weitgehend unter sich bleiben. Dort kommen die Leute spielend ohne ein Wort Deutsch durch den Alltag.

Viele Kinder verstehen die Unterrichtssprache Deutsch nicht ausreichend.
Foto: Regine Hendrich

Viele Kinder wachsen somit in Familien auf, in denen die Eltern die Schulsprache schlecht beherrschen und Vorlesen wohl kaum zum täglichen Ritual gehört. Staatliche Förderung greift zu spät, um dieses Handicap auszubügeln. In keinem anderen westlichen EU-Land gehen derart wenige unter Dreijährige in eine Krippe. Die überforderten, weil überlasteten Kindergärten können es dann in den zwei bis drei Jahren bis zur Schule kaum richten. Dazu fehlen Personal und Ausbildung.

Es braucht noch einiges mehr – von neuen Initiativen für bessere Durchmischung bis hin zur Bewusstseinsbildung. Auch über gewisse Verpflichtungen für Eltern soll diskutiert werden, wie es die ÖVP, die das Thema aufgebracht hat, fordert.

Kein Bedarf herrscht aber an Scheinheiligkeit. Ja, auch das rot dominierte Wien hat manches verabsäumt. Doch es war die ÖVP, die in der Regierung mit der FPÖ Deutschkurse eingespart hat und sich über viele Jahre mehr als Bremserin denn als Vorreiterin für breite Kinderbetreuung geriert hat. (Gerald John, 5.5.2022)