Obwohl das Fach bald eingeführt werden soll, ist man sich über den Inhalt noch immer nicht einig.

Foto: APA/dpa/Philipp von Ditfurth

Ab dem kommenden Schuljahr gibt es in den ersten drei Klassen AHS und Mittelschule mit "Digitale Grundbildung" ein neues Pflichtfach. Der Lehrplan dafür ist umstritten, wie Stellungnahmen zeigen, die im Rahmen einer Begutachtung eingegangen sind. So wird wahlweise kritisiert, dass zu viel Informatikbildung unterrichtet werden soll beziehungsweise zu wenig.

Medienkompetenz

Mit den ersten drei Klassen startet das neue Fach ab Herbst in jenen Jahrgängen, die bis dahin vom Ministerium bereits im Rahmen der Digitalisierungsoffensive mit günstigen Laptops und Tablets ausgestattet sein sollten. Ab 2023/24 kommen die vierten Klassen dazu, unterrichtet wird "Digitale Grundbildung" mit einer Wochenstunde. Ganz neu ist das Thema nicht – bisher wurde es als verbindliche Übung (also ohne Noten) unterrichtet.

Laut Entwurf soll im neuen Fach auf drei Schienen gefördert werden – nämlich Medienkompetenz, Anwendungskompetenzen und informatische Kompetenzen. Die Themen reichen von Coding und dem Schutz vor Schadsoftware über das Erkennen von Fake News bis zu ökologischen Problemstellungen im Bereich Digitalisierung.

Kritik an der Ausgestaltung kommt etwa von der Leiterin jener Arbeitsgruppe, die die Vorarbeiten für die Lehrpläne geleistet hat. "Leider hat sich in der Rahmung und der Konkretisierung des Pflichtgegenstandes einiges geändert, das nicht in der Absicht der Lehrplan-Erstellenden lag", schreibt etwa Petra Missomelius, stellvertretende Leiterin des Instituts für Medien, Gesellschaft und Kommunikation an der Uni Innsbruck.

Das Fach sei bewusst disziplinenübergreifend konzipiert worden. "Dieses Gleichgewicht ist im geänderten Lehrplan leider massiv zugunsten der Informatischen Bildung verschoben worden", so Missomelius. "Dies ist nicht plausibel und führt die Potentiale des Fachs ad absurdum." Wenn der Lehrplan wie "Informatik 2.0" konzipiert sei, würden primär Informatiklehrer und -lehrerinnen das Fach unterrichten. "Es ist jedoch wichtig, um der breiten gesellschaftlichen Relevanz Rechnung zu tragen, dass dies ein Fach ist, welches auch von Sprach-, Geographie/Wirtschaftskunde-, Bildnerische Erziehung-Lehrerinnen etc. unterrichtet werden kann." Auch der Arbeiterkammer kommen Medienbildung und (kritische) Medienkompetenz zu kurz, während IT-Inhalte und Anwendungsfertigkeiten dominieren würden.

Widerspruch

Diametral entgegengesetzt ist die Kritik der Wirtschaftskammer: Der vorliegende Entwurf habe "mehr mit der Vermittlung von Medienkompetenzen als mit echten Informatikkompetenzen zu tun, die von den Unternehmen dringend benötigt werden", meinte Alfred Harl, Obmann des Fachverbands Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT), in einer Aussendung. Die Industriellenvereinigung will die Umbenennung des Fachs in "Informatik und Digitale Grundbildung".

Ganz generell sei der Lehrplan "überfrachtet" für ein einstündiges Schulfach, das noch dazu auch an Mittelschulen unterrichtet werden soll, meint auch die Informatik-Fakultät der Uni Wien. Das neue Fach solle daher auf informatische Bildung und Gestaltungskompetenzen abstellen, Medienbildung soll im Rahmen anderer Fächer abgehandelt werden.

Der Bildungswissenschafter und Obmann des Bundesverbands Medienbildung Christian Swertz schließt sich umgekehrt der Kritik von Missomelius an. Auch er ortet eine zu starke Technikorientierung im Lehrplan. Darüber hinaus würden die darin genannten Technik-Inhalte ohnehin weitgehend mit dem Informatik-Lehrplan übereinstimmen. "Damit wird ein Unterrichtsfach mit den selben Inhalten noch einmal eingeführt. Das ist witzlos." (APA, 6.5.2022)