Stromanbieter wie der Verbund profitieren derzeit massiv von den steigenden Energiepreisen.

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Der Vorschlag von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Gewinne von Firmen mit Staatsbeteiligung abzuschöpfen, hat am Donnerstag einiges ins Rollen gebracht – vor allem an der Wiener Börse: Der Kurs des Stromanbieters Verbund sackte prompt um rund zwölf Prozent ab und hat sich seither nur leicht erholt. Auch der österreichische Aktienindex ATX gab um knapp zwei Prozent nach.

Nehammers Vorstoß wirft aber nicht nur wirtschaftliche, sondern auch rechtliche Fragen auf. Schließlich wäre die Gewinnabschöpfung bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen ein Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum. Würde eine Sondersteuer nur Energieversorger mit staatlicher Beteiligung erfassen, läge eine Ungleichbehandlung vor, die nur schwer zu rechtfertigen wäre, sagt Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Professorin für Finanzrecht an der Universität Wien, zum STANDARD. Ob die Unternehmen staatlich, teilstaatlich oder privat sind, dürfe bei der Abschöpfung keine Rolle spielen.

Allgemeine Sondersteuer zulässig

Eine allgemeine Sondersteuer, die alle Energieunternehmen betrifft, die derzeit von den hohen Preisen profitieren, hält die Expertin allerdings für zulässig und richtig. "Die Gewinne entstehen ja nicht durch besonders gutes Wirtschaften, sondern durch den vorgegebenen Preismechanismus im Energiesektor", sagt Kirchmayr-Schliesselberger. Demnach orientiert sich der Strompreis stets am teuersten Kraftwerk, im Regelfall ein Gaskraftwerk.

Der Preismechanismus, der die Stabilität der Energieversorger gewährleisten soll, sei von den europäischen Energieaufsichtsbehörden und von Expertinnen und Experten stets als richtig eingestuft worden. In der aktuellen Situation führe er jedoch zu Zufallsgewinnen, die abgeschöpft werden dürfen. Das sei auch keine Frage von "links oder rechts", sagt die Juristin. Selbst die konservative britische Regierungschefin Margaret Thatcher habe Steuern auf Zufallsgewinne eingeführt – sogenannte Windfall Taxes.

"In Österreich hat es das in dieser Form noch nicht gegeben", sagt Kirchmayr-Schliesselberger. Einzig zu Beginn der Zweiten Republik griff der Gesetzgeber ein und führte eine Steuer für Personen ein, deren Vermögen während des Krieges gewachsen war. Die Steuer richtete sich also gegen "Kriegsgewinner". Österreich tilgte mit dem Geld Teile seiner Schulden.

Der Staat, der etwa beim Verbund mit 51 Prozent Mehrheitseigentümer ist, könnte sich freilich auch seinen Teil der Dividende ausbezahlen lassen. Eine Sondersteuer würde dagegen direkt die Unternehmen verpflichten und könnte theoretisch den gesamten Zufallsgewinn abschöpfen. (japf, 6.5.2022)