In Wien-Simmering überfiel ein Teenager mindestens fünf Frauen, ehe ihn eine Polizeistreife zufällig erkannte und festnahm.

Foto: Robert Newald

Wien – Vom 8. November bis zum 16. Dezember beging der damals 17 Jahre alte Patrik S. in Wien-Simmering fünf Sexualstraftaten, in einem Fall kombiniert mit einem Raubversuch. Vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Katharina Adegbite-Lewy bekennt sich der nun 18-jährige Angeklagte schuldig, sagt aber eigentlich wenig über die Hintergründe.

Im August 2021 riss der Slowake mit drei anderen Jugendlichen aus dem Erziehungsheim aus, in dem er in seiner Heimat untergebracht war. Danach fuhr er erstmals in seinem Leben nach Österreich. "Was wollten Sie hier machen?", fragt Adegbite-Lewy. "Nichts", lautet die lapidare Antwort.

Was nicht stimmt. S. war obdachlos, suchte sich das Essen teilweise in Mülltonnen und begann ab November, Frauen zu verfolgen. Die erste war auf dem Weg zu ihren Eltern, als er sich in ihren Weg stellte und ihre Brüste betatschte. Den nächsten Opfern griff er auf den Hintern oder zwischen die Beine.

Überfall im Wohnhaus

Am 13. Dezember kam es laut Anklage zu einem Vergewaltigungsversuch: S. verfolgte eine Studentin in ihr Wohnhaus, stieß sie gegen die Wand und versuchte, ihr die Strumpfhose unter dem Rock herunterzuziehen, ehe er wegen ihrer Schreie abließ und flüchtete. "Was wollten Sie mit ihr machen?", will die Vorsitzende wissen. "Ich weiß es nicht", lässt der Angeklagte übersetzen.

"Na ja, wenn Sie ihr schon die Strumpfhose herunterziehen, liegt es nahe, dass es um sexuelle Handlungen ging", hält ihm Adegbite-Lewy vor. S. nickt und gibt zu, dass er auch drei Tage später mit einer anderen Frau "schlafen" wollte. Bei der Polizei hatte er noch gesagt, er habe das Opfer bei einer nächtlichen Straßenbahnstation gesehen und verfolgt. "Mir hat ihr Hintern gefallen", gab er damals als Motiv an. Obwohl sie ihm eigentlich zu alt gewesen sei: "Sie war schon eine Tante, damit meine ich, sie war schon über 30 Jahre alt", erzählte er den Beamten.

Vor ihrer Wohnungstür bedrängte er die Frau und versuchte auch, ihre Handtasche zu rauben. Der Frau gelang es, sich zu befreien, da S. "kraftlos und alkoholisiert" gewirkt habe. Der durch ihre Hilfeschreie aufmerksam gewordene Lebensgefährte lief dem Angeklagten nach und schaffte es, ihm die Jacke abzunehmen, wodurch DNA-Spuren sichergestellt werden konnten. Am 21. Dezember wurde S. dann zufällig von einer Polizeistreife gesichtet und festgenommen.

Ungünstige Zukunftsprognose

"Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?", interessiert die Vorsitzende auch. "Ich werde das nicht mehr machen." – "Die Zukunftsprognose ist wegen Ihrer Vollmündigkeit ungünstig, in das Erziehungsheim können Sie nicht zurück. Wo wollen Sie denn in der Slowakei unterkommen?", fragt Adegbite-Lewy besorgt. "Ich habe meinen Vater." – "Bei dem könnten Sie wohnen?" – "Ja." – "Hat Sie der in Wien im Gefängnis besucht?" – "Nein." – "Weiß er überhaupt, dass Sie im Gefängnis sind?" – "Ja."

Da wegen des Geständnisses auf die Einvernahme der Opfer verzichtet wird, nehmen einige der attackierten Frauen im Saal Platz und hören Trostloses. Der in der Slowakei wegen eines Eigentumsdeliktes vorbestrafte Angeklagte ist das drittälteste von ursprünglich 15 Kindern, als sein Vater in Strafhaft kam, bemühten sich die Mutter und die Großmutter um die Erziehung. Nach dem Tod der Oma war die Mutter vollständig überfordert, alle Kinder wurden ihr vom slowakischen Jugendamt abgenommen.

Seit er 13 oder 14 Jahre alt war, habe er Suizidgedanken gehabt, berichtete S. der psychiatrischen Gutachterin Gabriele Wörgötter, die den Angeklagten als "sozial und emotional verwahrlosten Jugendlichen mit schwerer Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetypus" beschreibt. Er sei aber zurechnungsfähig und nicht so gefährlich, dass er eingewiesen werden müsste.

Selbstverletzungen in Untersuchungshaft

30 bis 40 Mal sei er in seiner Heimat psychiatrisch behandelt worden, in Österreich nahm er die Psychopharmaka nicht mehr. In der Untersuchungshaft verletzte sich der Angeklagte mehrmals selbst. "Es handelt sich eher um ein medizinisches Problem und kein strafrechtliches", meint Verteidiger Michael Vallender im Schlussplädoyer. S. selbst will am Ende des Verfahrens nichts mehr sagen.

Nach kurzer Beratung verurteilt der Senat S. rechtskräftig zu 16 Monaten Haft, von denen zwölf bedingt nachgesehen werden. Den unbedingten Teil hat er bereits in der Untersuchungshaft verbüßt, nun wird er von der Fremdenpolizei in seine Heimat abgeschoben werden. "Daher können wir auch keine Maßnahmen wie eine Psychotherapie anordnen. Das ist unbefriedigend, ist aber leider so", bedauert die Vorsitzende. (Michael Möseneder, 6.5.2022)