Petra Schaper Rinkel, Vizerektorin der Universität Graz, wohnt in einem alten Palais mit riesigen Fenstern. Am meisten genießt sie es, wenn das hereinfallende Licht in seine tausenden Spektralfarben zerfällt.

"Das war die zweite Wohnung, die ich besichtigt habe. Ich bin reingekommen, große Fenster, strahlender Sonnenschein und eine unvorstellbare Raumhöhe von über vier Metern. Es war eine Entscheidung aus dem Bauch heraus, ich habe in der Minute zugeschlagen. Das Haus stammt aus dem 19. Jahrhundert, Teile davon wurden sogar schon Ende des 18. Jahrhunderts errichtet. Der Grundriss dieser Wohnung ist recht eigenartig, und man merkt, dass die Struktur des Gebäudes ursprünglich für ganz andere Raumgrößen gedacht war. Aber genau dieser eigenwillige Grundriss mit dem viel zu langen Vorzimmer, dem zu großen Bad, dem zu schmalen Wohnzimmer und der irgendwie hineingequetschten Küche macht ja gerade den Charme dieser Wohnung aus.

Petra Schaper Rinkel hat ein Faible für "Glas und Durchsichtiges in allen Formen und Varianten".
Foto: Florian Albert

Und natürlich der Ausblick! Ich schaue dem Grazer Bischof direkt in den Garten, und während er am Bischofsplatz mit der Hausnummer vier wohnt, bin ich unter Hausnummer eins zu Hause. Eine klerikal-hierarchische Logik hat das nicht wirklich, oder? Schade finde ich, wie der Bischof seinen Amtssitz saniert hat. Früher war das ein wunderschönes Palais mit hölzernen Fensterläden und schöner Patina, man wähnte sich mitten in Italien, heute ist das Haus leider ein bisschen zu perfekt renoviert, der wilde Garten stellenweise zubetoniert.

Wie man unschwer sieht, bin ich eine verhinderte Nichtsammlerin. Ein besonderes Faible habe ich für Glas und Durchsichtiges in allen Formen und Varianten: Kristallglas, Industrieglas, Acrylglas, Antiquitäten, moderne Sachen aus dem 3D-Drucker, alte Vasen und Karaffen, daneben ein Polycarbonatstuhl Louis Ghost, ein richtiger Klassiker mittlerweile, den Philippe Starck 2002 für Kartell entworfen hat. Mit einem Wort: Ich sammle alles, in dem Licht gebrochen und in seine bunten Spektralfarben zerstreut wird. Und diese wirklich unglaublich helle Wohnung ist wie gemacht dafür. In so mancher Stunde sind die Wände in tausende bunte Lichtflecken getaucht.

Petra Schaper Rinkel ist schon oft umgezogen und auch in Wien und Teneriffa zu Hause. In ihrer Grazer Wohnung findet sich der durchsichtige Philippe-Starck-Stuhl "Louis Ghost" ebenso...
Fotos: Florian Albert

Glas ist natürlich fragil, zerbrechlich, manche Stücke sind leider nicht für die Ewigkeit gemacht. Manchmal passiert es, dass eine schöne Kristallvase zu Bruch geht. Das tut mir ungemein leid, und ich habe schon so manch wertvolles Stück verloren, dennoch bin ich der Überzeugung, dass auch alte Sachen es verdient haben, in Verwendung zu sein und nicht nur in der Vitrine zu stehen. Ich nutze die Sachen jeden Tag. Aus einem 200 Jahre alten Wasserglas zu trinken, sich vorzustellen, wie viele Menschen dieses Objekt schon in Händen gehalten und benützt haben, ist ein irgendwie überwältigendes Gefühl.

Ich habe schon in vielen Städten auf der Welt gewohnt und bin unzählige Male umgezogen. Auch jetzt bin ich an zwei, drei Orten gleichzeitig zu Hause, habe noch eine Wohnung in Wien und ein Zuhause in Puerto de la Cruz auf Teneriffa. Ich habe sowieso das Gefühl, dass ich nicht unbedingt in der Wohnung zu Hause bin, eigentlich viel mehr in der Stadt rundherum, auf den umliegenden Plätzen, an einem Tisch in der Sonne, in all den Cafés am Tummelplatz oder beim Frankowitsch mit seinen großartigen Brötchen. Erstens sind diese Orte mein verlängertes Wohnzimmer, und zweitens sind sie auch eine Art verlängertes Italien, mit all der Eleganz, Freundlichkeit und Lebensfreude im öffentlichen Raum. In den Corona-Lockdowns waren leider alle Wohnzimmer zu.

... wie "moderne Sachen aus dem 3D-Drucker".
Foto: Florian Albert

Ich brauche dieses öffentliche Leben, dieses quirlige Treiben auf den Plätzen, in Graz genauso wie in Wien, Paris, Berlin, Buenos Aires, New York City. Und ich könnte mir niemals vorstellen, in einer Stadt zu leben, in der der öffentliche Raum keinen besonders hohen Stellenwert hat, in der sich das Leben meist in der Privatheit der eigenen vier Wände abspielt – wie im arabischen Raum, obwohl ich dort gerne gereist bin. Mein großer Traum für die Zukunft: Irgendwann einmal will ich wieder auf Wanderschaft gehen, durch die Welt reisen, fremde Städte erkunden." (9.5.2022)