Der Jurist und Mediator Ulrich Wanderer erklärt im Gastblog, welche Vorteile Mediation bei manchen juristischen Streitigkeiten haben kann.

Die Aufgabe des Mediators beinhaltet vieles, insbesondere die Medianden bei der Lösungsfindung bestmöglich zu unterstützen und zu begleiten. Die Beratung in Rechtsfragen zählt jedoch nicht dazu. Dennoch ist eine gewisse Kenntnis der rechtlichen Grundlagen, wie auch der angrenzenden Rechtsmaterien wichtig und jedenfalls von Hilfe, wenn man im Umfeld von Familienkonflikten zu tun hat. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit zwei Paragrafen, die in der Mediation bei Familienkonflikten entweder einleitend oder als formalistische Klammer eine Rolle spielen.

Das Außerstreitgesetz spielt in der Mediation eine große Rolle.
Foto: http://istockphoto.com/Sebastian Gorczowski

Das Außerstreitgesetz

In der Mediation ist das sogenannte Außerstreitgesetz enorm wichtig. Hier spielt sich unter anderem juristisch die einvernehmliche Scheidung ab. Besonders die §§ 95 und 107 des erwähnten Gesetzes sind dabei aus Mediatorensicht von besonderer Bedeutung und spielen auch in die Arbeit der Familien- oder Männerberatung hinein.

Die Rechtsberatung

§95 handelt von der Wichtigkeit einer kompetenten Rechtsberatung bezüglich der (sozial-) rechtlichen Folgen der Scheidung, welche im Vorfeld einer einvernehmlichen Scheidung einzuholen ist. Diese Rechtsberatung kann entweder von einem Rechtsanwalt oder auch von einer Beratungseinrichtung, welche in der Regel auch am betreffenden Bezirksgericht anzutreffen ist, erfolgen. Wie nun die "Verpflichtung" zur Beratung gesehen wird, hängt vom Gericht und vom betreffenden Richter ab. Manche belassen es schlicht beim Hinweis auf die möglichen Nachteile, die durch ungenügende Kenntnisse über diese Folgen entstehen können. Andere unterbrechen die Verhandlung bis zur Einholung einer entsprechenden Beratung oder nehmen gar den Scheidungsantrag ohne Beratungsbestätigung erst nicht einmal an.

Selbstredend ist eine solche umfassende Rechtsberatung auch wichtig, um die mediativ erzielte Lösung zu validieren und um sich der allfälligen Konsequenzen einer nachehelichen Unterhaltsverpflichtung (beziehungsweise eines Verzichtes), einer Ausfallsbürgschaft, gewahr zu werden. Eine profunde rechtliche Beratung hinsichtlich der Möglichkeiten einer privatautonomen Vereinbarung kann auf der einen Seite Wege aufzeigen, andererseits macht sie auch so manche irrige Hoffnung auf eine "das machen wir uns dann schon untereinander aus"-Lösung rechtzeitig zunichte.

Die Elternberatung

Darüber hinaus hält der Paragraf fest, dass im Vorfeld einer einvernehmlichen Scheidung eine verpflichtende Beratung über die aus der Scheidung resultierenden Bedürfnisse minderjähriger Kinder einzuholen ist. Diese Beratung hat durch speziell zertifizierte Berater zu erfolgen. Verständlicherweise wird auch seitens so mancher Forenposter zu Recht kritisiert, dass eine einstündige Beratung kaum auch nur ansatzweise die mannigfaltigen Probleme lösen kann. Und doch zeigt es sich immer wieder, dass zumindest einzelne Fragen, wie zum Beispiel "Wie sagen wir es den Kindern", geklärt werden können.

Die Verpflichtung hinsichtlich einer Elternberatung hat bei aller gerechtfertigter Kritik in vielen Fällen bereits dazu beigetragen, dass sich die Eltern auf ihrem Weg aus der Ehe hinaus noch den einen oder anderen professionellen Tipp zum Wohle der Kinder mitnehmen konnten.

Bei Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren

Der § 107 AußStrG zielt auf ein anderes Szenario als die einvernehmliche Scheidung ab. Hier geht es um teils eskalierte Konflikte, in deren Mittelpunkt ein oder mehrere Kinder steht beziehungsweise stehen. Der besagte Paragraf regelt Aspekte aus dem "Verfahren über die Obsorge oder die persönlichen Kontakte".

Der durchaus praxisrelevante Absatz besagt, dass "Das Gericht ... die zur Sicherung des Kindeswohls erforderlichen Maßnahmen anzuordnen" hat. Dieses zwar unter dem Vorbehalt, dass die Interessen des Kindes nicht gefährdet werden dürfen, doch gehen hier erfahrungsgemäß die Ansichten, was nun im Sinne des Kindeswohls liegt, auseinander. Siehe hierzu auch die umfassende und gleichzeitig recht offen formulierte Definition des Kindeswohls im ABGB. Ohne eine vollständige Aufzählung zu machen, erwähnt das Gesetz folgende Punkte: einen verpflichtenden Besuch einer Familien-, Eltern- oder Erziehungsberatung, die Teilnahme an einem Erstgespräch über Mediation oder über ein Schlichtungsverfahren, die Teilnahme an einer Beratung oder Schulung zum Umgang mit Gewalt und Aggression, oder bei Verdacht auf Kindesentführung ins Ausland ein Verbot der Ausreise mit Kind oder die Abnahme der Reisedokumente des Kindes.

Besuch einer Familienberatungsstelle

Speziell die verpflichtende Familien-, Eltern- oder Erziehungsberatung stellt durchaus ein Paradoxon dar. Während die Beraterinnen und Berater der Ehe-, Familien- und Lebens-Beratungsstellen jenen, die von sich aus freiwillig einen Termin vereinbaren, grundsätzlich unentgeltlich bzw. gegen freiwilligen Kostenbeitrag zur Verfügung stehen, müssen die Parteien bei richterlicher Anordnung in einer Situation der hochgradigen Eskalation gemeinsam acht bis zehn kostenpflichtige Termine wahrnehmen. Nun, die Erzählung meiner ehemaligen Kolleginnen der diversen Beratungsstellen zeigt dennoch, dass in so manchen Fällen etwas Stress aus der Situation genommen werden konnte. Hierzu vielleicht einen kleinen Hinweis, um die Kosten der angeordneten Beratung zu vermeiden. Oftmals hilft die Bereitschaft zum freiwilligen Besuch einer Familienberatungsstelle, wobei diese in der Regel aufgrund der diversen Förderungen gegen freiwilligen Kostenbeitrag beraten. Es ist nachvollziehbar, dass Gerichte den freiwilligen Besuch einer Familienberatungsstelle einem gerichtlichen Beschluss vorziehen, zumal die Eltern in diesem Falle zumindest äußerlich ein gewisses Maß an Einigkeit demonstrieren.

Gewaltberatung

Neben der angeordneten Familienberatung ist im Falle eines Gewaltvorfalles auch die Gewaltberatung eine der Möglichkeiten des Gerichts. Auch hier hängt der Erfolg der Maßnahme maßgeblich von der Bereitschaft der Betroffenen ab, sich auf die Beratung oder Schulung einzulassen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die jeweiligen Berater oftmals einen Zugang zu den Teilnehmern finden, um zumindest das Verständnis für die Thematik zu wecken. Auch hier kann es zweifellos von Vorteil sein, wenn die betroffene Person sich freiwillig an eine entsprechende Einrichtung wendet und nicht erst wartet, bis das Gericht hier eine Anordnung fällt.

Erstgespräch über Mediation und Schlichtung

Das Augenmerk des Mediators liegt freilich bei der angeordneten Teilnahme der Parteien an einem Erstgespräch über Mediation. Ja, es handelt sich dabei um ein Gespräch über Mediation und nicht um eine Mediation an sich. Einer gerichtlich angeordneten Mediation stünde dem Grundsatz der Freiwilligkeit entgegen, welcher unter anderem im Zivilrechtsmediationsgesetz festgehalten wird. Die Chance für die Parteien besteht dabei im Erstkontakt mit dem Institut der Mediation. Im Gespräch obliegt es dem Mediator, die Möglichkeiten und Chancen der außergerichtlichen Streitbeilegung in Verbindung mit all ihren Vorteilen darzulegen und gleichsam Werbung für die Mediation zu machen. Wenngleich natürlich nicht gesagt ist, dass die Parteien eine allfällige weiterführende Unterstützung im Rahmen einer dann auf Freiwilligkeit basierenden Mediation in Anspruch nehmen, so bedeutet für viele Parteien dieses Erstgespräch einen ersten Kontakt mit einer auf Konsens basierenden Lösungssuche. Wenngleich die Versuchung für den Mediator wohl groß ist, ein Erstgespräch in eine Mediation überzuleiten, so darf nicht vergessen werden, dass eben die Freiwilligkeit der Einlassung in den ganzen Prozess eine wesentliche Rolle spielt. Die eigenständige Auswahl des Mediators stellt oftmals die Weichen für den ganzen weiteren Fortgang, und sollte daher nicht durch eine gerichtliche Zuweisung beeinflusst werden.

Bezüglich des Erstgespräches ist wichtig zu betonen, dass grundsätzlich sehr wohl beide Parteien gleichzeitig daran teilnehmen sollten, jedoch gerade auch in der Zeit der pandemiebedingten Distanzierung auch ein Gespräch über Onlineschaltung möglich ist beziehungsweise war.

Maßnahmen angesichts einer potenziellen Verbringung ins Ausland

Die Abnahme der Reisedokumente beziehungsweise das Verbot der Ausreise mit dem Kind sei der Vollständigkeit halber auch noch erwähnt. Diese Möglichkeiten kommen beim Verdacht oder der Gefahr einer "widerrechtlichen Verbringung" des Kindes ins Ausland zur Anwendung. Sollte diese Verdacht im Raum stehen, dass ein Elternteil mit dem Kind ins Ausland reisen wollte, obwohl hier rechtliche oder kinderpsychologische Aspekte entgegenstehen, so kann das Gericht die Abnahme der Reisedokumente des Kindes oder gleich ein Verbot der Ausreise beschließen.

Grundsätzliches zum Abschluss

Nein, die Möglichkeiten der Paragrafen schaffen selten jenen Frieden zwischen den Parteien, den sie bewirken sollten, doch ermöglichen sie zumindest den Einstieg der diversen Beratungsstellen und auch der Mediation in so manchen eskalierten Fall. In Erwartung so mancher Erzählung in den Postings über die eine oder andere negative Erfahrung sei dennoch der Gesetzgeber ein wenig in Schutz genommen. Die Intention war es wohl, dem einen oder anderen Richter neue Werkzeuge außerhalb des Gerichts zum Wohle des Kindes und des Konsenses in die Hand zu geben.

Niemand wird verwundert sein, wenn im "Mediationsblog" der Gedanke positiv gesehen wird, dass zumindest ein Erstkontakt zu diesem Institut seitens des Gerichts hergestellt werden kann. Doch sollte jedem zuweisenden Richter und jeder zuweisenden Richterin klar sein, dass die Arbeit der Mediatorinnen und Mediatoren am produktivsten dann eingesetzt werden kann, wenn sich zumindest in Ansätzen (vielleicht nach Einsatz der anderen Möglichkeiten das §107 AußerStreitG) eine Lösung abzeichnen könnte und die Parteien aus freien Stücken den Weg der Mediation beschreiten. (Ulrich Wanderer, 10.5.2022)